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Archiv-Artikel

RALPH BOLLMANN MACHT Dame und Hund

Von der Hundesteuer zu Schwarz-Gelb: In einem Potsdamer Restaurant erfahre ich, warum die Steuerdebatte ewig währt. Die Deutschen zahlen gern ans Finanzamt, wenn sie exakt so viel zurückbekommen. Und der Staat?

Es ist ein Freitagabend in einem jener Restaurants, die den Zander auf der Haut braten oder das Lammkarree mit Ratatouille servieren. Gehoben, aber nicht abgehoben. Modernisierte deutsche Küche für die wohlhabendste Stadt des Ostens mit ihren Villen und Schlössern, Gärten und Seen: Potsdam.

Der Bib Gourmand hat mich hergelockt, im Restaurantführer von Michelin steht das für „gut und günstig“. Von meinem Platz fällt der Blick auf den runden Tisch in der Ecke. Drei Paare fortgeschrittenen Alters haben dort Platz genommen, die Damen frisch gefönt, die Herren wie üblich weniger gut restauriert. Sie wohnen im Stadtviertel bei der Glienicker Brücke, nicht weit von den Villen der Jauchs und Joops entfernt. Zunächst wissen sie sich nicht anders zu unterhalten als mit dem üblichen Gemäkel an der Bahn.

Dann kommt eine der Damen auf ein delikates Problem zu sprechen. Sie sei ja bereit, die – nun ja – Hinterlassenschaften ihres Haustiers vom Gehweg wieder aufzusammeln. Aber dass es dafür entlang der Berliner Straße, der Hauptmeile des Villenviertels, kaum Abfalleimer gebe: ein Skandal! „Ich frage mich, wozu ich eigentlich Hundesteuer bezahle.“

So denkt man nicht nur zwischen Marmorpalais und Babelsberger Schloss. Vielleicht hat der Dauerzwist um die Steuern, den die schwarz-gelbe Regierungskoalition nun ins dritte Kalenderjahr schleppt, auch mit der Frau und ihrem Hund zu tun. Weil, so dachte ich beim Zerlegen meiner viel zu fetten Gans, in Deutschland jeder denkt wie sie.

Jeder will vom Staat ungefähr so viel herausbekommen, wie er an Steuern und Sozialabgaben einzahlt. Die Autofahrerin wünscht, dass der Verkehrsminister die Mineralölsteuer für Straßenbau verwendet. Der Oberstudienrat tröstet sich über die gezahlte Einkommensteuer mit der Aussicht aufs Vätergeld hinweg. (Wer sein eigenes Gehalt bezahlt, vergisst er dabei gerne.)

So ist es auch mit der staatlichen Sozialversicherung. Der fünfzigjährige Arbeitslose will länger Unterstützung beziehen als der Dreißigjährige, schließlich hat er 20 Jahre länger eingezahlt. Die Rentnerin vergleicht ihre Ein- und Auszahlungen und ignoriert dabei nicht nur das Prinzip der Umlage zwischen den Generationen. Sie sieht auch großzügig darüber hinweg, dass die Rentenversicherung nicht zuletzt ein Risiko absichert, wenn auch ein erfreuliches: Der Schadensfall besteht in einem langen Leben.

Es ist aber das Wesen von Steuern, dass sie nicht zweckgebunden sind. Die Einnahmen aus der Hundesteuer darf die Stadt Potsdam für Sozialhilfe ausgeben, fürs Theater oder für ihr neues Schloss (wenn dafür nicht schon das Land einstünde). Das Einzige, was diese Steuer mit Hunden zu tun hat, ist ihre erwünschte Lenkungswirkung: Ursprünglich wurde sie eingeführt, um die Zahl der Tiere zu begrenzen.

Die Stadtratsmehrheit kann über die Verwendung der Gelder frei entscheiden, zumindest solange die übrigen 49 Prozent nicht rebellieren – oder bei der nächsten Wahl die Mehrheit erringen.

Als ich das Restaurant verlasse, gleite ich auf der vereisten Straße aus. Und rette mich nur durch mäßig elegantes Rudern mit den Armen. Geräumt hat hier niemand. Wozu habe ich im Restaurant, bitte schön, die Mehrwertsteuer bezahlt?

■  Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz. Zurzeit arbeitet er an einem Buchprojekt Foto: Urbach