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Archiv-Artikel

„Schule wird ruhiger“

Weniger Einzelstunden: Ein veränderter Rhythmus im Unterricht verbessert Lernen und Schulatmosphäre

taz: Frau Mieth, Sie haben eine kleine Revolution gewagt. Statt 45 Minuten dauert bei Ihnen eine Schulstunde 90 Minuten – als Blockunterricht.

Eva Mieth: Wir wollten nicht einfach die Schulstunden länger machen. Ziel war, fächerübergreifende Projekte besser planen zu können. Die Schüler stellen selber Dinge her. Sie sollen stärker als Produzenten denn als Konsumenten auftreten.

Mussten Sie überzeugen?

Oh, es gab viele Diskussionen. Viele Lehrer hatten Bedenken, ob der Stoff noch kontinuierlich vermittelt werden könne. Eine Musiklehrerin wandte ein, sie könne mit der Klasse keine Weihnachtslieder mehr singen, wenn Musik nur jedes zweite Quartal en bloc unterrichtet wird.

Hat sich die Schulatmosphäre verändert?

Der Schultag hat sich beruhigt. Die Anspannung am Ende des Tages ist geringer. Wenn in einer Klasse 30 Kinder sind und ein Lehrer 6 Stunden unterrichtet, hat er oder sie täglich mit 180 Kindern zu tun. Das ist ungemein belastend – selbst wenn die Kinder nett sind. Bei unserer Unterrichtsform halbiert sich die Zahl. Am Ende des Probelaufs haben die Lehrer gedrängt, dass wir bei diesem Unterricht bleiben – einstimmig, obwohl wir in Pro und Kontra geteilt waren.

90 Minuten am Stück – muss sich Unterricht da ändern!

Ja, eineinhalb Stunden frontal sind nicht durchzuhalten. Von Anfang an war also klar, dass damit eine Veränderung der Lehrformen einhergehen musste. Die Lehrer machen jetzt viel mehr Gruppen- und Freiarbeit.

Das heißt, es gibt keinen Frontalunterricht mehr?

Das nicht. Ich möchte das auch nicht abwerten. Ein guter Lehrervortrag hat auch etwas.

Haben Eltern und Schüler so einfach mitgezogen?

Wir haben Eltern und Schüler regelmäßig befragt. Es gab Diskussionen – etwa mit dem Vorsitzenden der Schulkonferenz. Der hat einen Sohn in der 5. Klasse und meinte, für den Kleinen wären 90 Minuten nicht verkraftbar. Aber es hat funktioniert.

Nur Weihnachtslieder lernt er nicht mehr.

Doch, Musik wird nämlich weiterhin als Einzelstunde unterrichtet. Das ist das genialste Element überhaupt, dass Einzelstunden weiter möglich sind – in der fünften und sechsten Stunde. INTERVIEW: ANNA LEHMANN