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Archiv-Artikel

Justizsenatorin macht dicht

Die Justizverwaltung will über die Zahl der Selbsttötungen in Gefängnissen künftig keine Auskünfte mehr erteilen. Opposition kritisiert ersten Amtsakt der Senatorin und wittert Verschleierungstaktik

von FELIX LEE

Die Zellen sind zu klein, die Haftanstalten überbelegt, es fehlt an Personal, und mit dem Tod des 37-jährigen Siam B. vor knapp zwei Wochen hat es in diesem Jahr bereits den zehnten Selbstmord an einem Berliner Gefängnis gegeben – so viele wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Und wie reagiert die neue Justizsenatorin? Sie rückt künftig nicht mehr mit den Zahlen heraus.

Mit der Ankündigung der Justizverwaltung, über die Zahl von Suiziden an den zehn Berliner Gefängnissen keine Auskunft mehr zu erteilen, hat die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) besonders die Opposition im Abgeordnetenhaus auf die Palme gebracht. „Wir hatten auf einen liberalen Wind gehofft“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux. Stattdessen halte „Verdunkelung und Vernebelung Einzug in den Senat“. Und auch Cornelia Seibeld von der CDU zeigte Unverständnis für den ersten Amtsakt der frisch gewählten Senatorin. „Es ist kein Geheimnis, wie schlimm es um die Haftanstalten in Berlin inzwischen bestellt ist“, sagte Seibeld. Nun dränge sich der Verdacht auf, dass die Justizsenatorin das Problem „vertuschen“ möchte.

Die Justizsenatorin wies die Kritik von sich und verteidigte ihre Entscheidung. Als Grund nannte sie die Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Gefangenen. Zudem müsse die Totenruhe gewahrt bleiben. Nur wenn es Anhaltspunkte auf Missstände im Vollzug, Fremdverschulden, Fehlverhalten von Beamten oder organisatorische Mängel gebe, würde die Justizverwaltung von sich aus die Informationen weiterleiten. Des Weiteren würde die Presse auf gezielte Anfrage hin auch weiterhin informiert werden, ließ die Justizsenatorin über ihre Sprecherin, Juliane Baer-Henney, mitteilen.

Das sei „Blödsinn“, sagte hingegen CDU-Rechtspolitikerin Seibeld. Auch vorher habe die Justizverwaltung den Namen nur abgekürzt bekanntgegeben. Um den gehe es auch gar nicht, sagte Seibeld. Sie wolle bloß über den Zustand in den Gefängnissen informiert werden, und dazu gehöre auch die Zahl der Selbsttötungen.

Grünen-Politiker Lux berichtet von katastrophalen Zuständen in den völlig überfüllten Gefängnissen und zitiert das Kammergericht, das bereits 2004 geurteilt hatte, die Unterbringung von mehreren Gefangenen in einer Zelle ohne räumlich abgetrennte Sanitäranlagen verstoße gegen die Menschenwürde und sei damit verfassungswidrig. Allein in der Justizvollzugsanstalt Moabit sind demnach 166 Gefangene verfassungswidrig untergebracht.

Entspannung für die Berlinweit rund 5.400 Häftlingen hat es nicht einmal über die Weihnachtszeit gegeben. Die Arbeitsräume seien festlich geschmückt worden, sagte Justizsprecherin Baer-Henner. Die Hafträume mussten jedoch kahl bleiben. Und auch bei der Weihnachtspost wurden die Regeln nur minimal gelockert. 7,5 Kilo durfte das Weihnachtspäckchen maximal wiegen, gerade einmal drei Pfund mehr als an den anderen Wochen des Jahres.