: Nackt im globalen Dorf
Wer das Image der eigenen Zunft aufpolieren will, muss sich dafür ausziehen: Den „Jungbauern-kalender“ gibt es sogar für Jungs und Mädchen
Früher kannte man nur den „Hundertjährigen Bauernkalender“, nun gibt es noch den alljährlich neu erscheinenden „Jungbauernkalender“ – mit Erotikfotos im Großformat. Herausgegeben wird diese erfolgreiche „German Girls Edition“ von der bayerischen und österreichischen „Jungbauernschaft e. V.“. Die beiden Organisationen waren zuvor schon mit anderen „kreativen Ideen“ aufgefallen: die einen mit einem „Bushäuschen“ – dem typischen Treffpunkt der Landjugend – als Messestand auf der Grünen Woche, und die anderen mit einer Zeitschrift namens „Mist“.
Im Jungbauernkalender 2007 posieren diesmal Krista, Kathrin, Verena, Susanne, Eva-Veronika, Veronika, Stefanie, Daniela, Stefanie, Heidi, Andrea und Anna – halb nackt und zumeist in der freien Natur bzw. im Stroh, einmal auch – mit laszivem Gesichtsausdruck – in der Küche vor dem brennenden Kamin (Anna im Dezember).
Alle lächeln mehr oder weniger verführerisch – für Gott und die Welt. Das erinnert an den ostfriesischen Heiligen namens Hein – „Saint Hein“ genannt. Einmal erschien ihm auf dem Deich Gott – und sprach zu ihm: „Hein, gehe hinaus in die Welt und suche dir 12 Jünger!“ Hein ließ sich nicht lange bitten. Nach Jahr und Tag kehrte er wieder auf den Deich zurück. Diesmal sprach er zu Gott: „Siehe, hier bin ich wieder. Darf ich Dir meine Jünger vorstellen … Krista, Kathrin, Verena, Susanne, Eva-Veronika, Veronika, Stefanie, Daniela …“ – „Hein!“ unterbrach Gott ihn, „ich habe doch gesagt: Jünger!“ – „Was?“, entgegnete da Hein: „Noch jünger?!“
Ich will Bäuerin werden!
Die zwölf Mädels im Jungbauernkalender sind beruhigenderweise alle zwischen 18 und 26 Jahre alt. Über die Hälfte will Bäuerin werden bzw. den Hof der Eltern übernehmen und lernt bzw. studiert deswegen schon mal Landwirtschaft oder Ähnliches.
Nun haben die Landmädchen, die im Sommer in der elterlichen oder verwandtschaftlichen Wirtschaft mithelfen müssen, dies schon seit langem leicht bekleidet und zunehmend leichter bekleidet getan: „Wenn ich schon nicht an den Badesee fahren kann, dann will ich mich wenigstens bei der Arbeit ausziehen“.
Seinen kürzlich veröffentlichten „Nachruf auf die Kleinbauern“ (sie stellen nur noch 2 Prozent der Bevölkerung) hat der österreichische Sozialforscher Bernhard Kathan deswegen den Titel „Strick, Badeanzug, Besamungssets“ gegeben. Den Badeanzug trug eine seiner Informantinnen immer zur Erntezeit auf dem Feld.
Im Bauernkalender 2007 nun gehen die zukünftigen Bäuerinnen noch weiter: Sie zeigen sogar während des Stallausmistens und beim Unkrautjäten ihre Brüste. Zwei Mädchen posieren allerdings auf dem Feld hockend nur mit einem tiefen Dekolletee: die Allgäu-Stefanie im Juli vor der Ernte in einem Kornfeld (mit Mähdrescher im Hintergrund) und die Schwaben-Stefanie im September nach der Ernte mit einigen Strohgaben auf einem Stoppelfeld. Die jahreszeitliche Folge geht dann – dem bäuerlichen Arbeitsrhythmus folgend – so weiter, dass Heidi im Oktober in Hotpants und mit hohen Absätzen, die ihre langen, schlanken Beine gut zur Geltung bringen, ein Bullenkälbchen am Strick auf den Hof zerrt – das wahrscheinlich zum Schlachter soll.
Mit weißer Weste
Im November mistet Andrea aus Deutschlandsberg den leeren Stall aus, damit er neu belegt werden kann. Sie ist dabei derart ins Schwitzen geraten, dass sie ihre Felljacke aufgeknöpft hat. Im Dezember schließlich backt die o. e. Anna in Top und Minirock ihre Lieblingsweihnachtsplätzchen. Und im Januar legt sich Krista aus Murna mit Fellboots auf die Saunapritsche, wobei sie den Overall halb ausgezogen hat, aber untendrunter trägt sie noch was Fleischfarbenes.
Erwähnt seien ferner Eva-Veronika aus Niederbayern und Veronika aus Innsbruck-Land: Erstere hat sich für den Jungbauernkalender mit aufgeknöpfter weißer Weste auf ihren schmucken Haflingerhengst gesetzt (im Mai) und Letztere, nur mit einem Bikini-Unterteil bekleidet, im Juni vor einen Wasserfall gestellt. Dazu heißt es im Text unter dem Foto: „Ihre Familie hat einen biologisch geführten Vollerwerbsbetrieb. Veronika hilft in ihrer Freizeit bei der Hofarbeit gerne mit.“
Ob das nun übertrieben ist, wie ihre Eltern vielleicht meinen, oder ob es der Wahrheit entspricht – Veronika, wie auch alle anderen elf Mädels, posieren hier à la Playboy nicht, um als angehende Landwirtinnen doch noch einen Mann zu finden – also quasi für sich, sondern um ordentlich Werbung für das erotisch aufgeladene (sozusagen dauergeile) Landleben im Allgemeinen und die unprüde attraktive „Jungbauernschaft e. V.“ im Besonderen zu machen.
Beim Jungbauernkalender steckt hinter den zwölf gekonnten Playboy-Posen aber auch noch die Geste: Seht her, wir sind auf dem Land genauso locker drauf, um nicht zu sagen emanzipiert, wie eure ganzen Klubmädels in Berlin oder sonst wo! Hier wie dort leben wir jetzt in einem „global village“.
Längst haben die aufs Land gezogenen Städter den Bauern die Macht in den Dörfern streitig gemacht – und setzen nun den noch verbliebenen Landwirtschaften mit ihrer konsumistischen „Lebensqualität“ zu.
Das März-Mädchen Verena aus Oberbayern demonstriert im Kalender, wie sie diese „Qualität“ bereits voll drauf hat: In Bikini-Oberteil und Jeans-Hotpants sowie gepierctem Bauchnabel hockt sie – bereits um diese Jahreszeit – auf einer Campingliege im Vorgarten ihres elterlichen Hofs, der von einer Videokamera überwacht wird – und isst dabei Kirschen! In der Stadt hätte man zu diesem Zweck wohl eher Erdbeeren genommen.
Sonst gibt es daran aber von hier aus nichts zu meckern.
HELMUT HÖGE
So sind sie, die Männer: Früher oder später ziehen sie sich alle aus. Ganz gleich ob US-Marines („America’s Heroes“) oder französische Rugby-Spieler („Dieux du Stade“), irgendwann hängen sie aufgepinnt in studentischen Wohnküchen oder mit Tesa angeklebt in den Spinden von Automechanikerinnen: Auch die bayerischen und österreichischen Jungbauern sind da nicht anders. Im Gegenteil: Schon im Jahr 2002 erschien die erste „Men-Edition“ des sich gut verkaufenden PR-Kalenders der österreichischen und bayerischen Jungbauernschaft.
Mittels Ganzkörpereinsatz sollen „junge Landwirte als moderne und aufgeschlossene Unternehmer präsentiert werden, die das veraltete Image ihrer Branche aufbrechen und Vorurteile beseitigen“. So machen es auch die „Tonnen-Boys“ von der Berliner Straßenreinigung oder die Jugend des schlecht beleumundeten Berliner Bezirks Marzahn-Hellersdorf („Mein Berliner Bezirk: Marzahn-Hellersdorf“).
Es ist wie mit dem modernen Theater, ohne Nackte geht da auch nichts. Doch im Gegensatz zu dem abgründigen Treiben auf deutschen Bühnen wirken die rustikalen Bergbauern-Jungspunde durch die Bank adrett-nett bis harmlos, wenn man mal von „Sebastian aus Wien“ absieht, dessen bereits 27-jährige Augen schon seit längerem in die Abgründe der Großstadt Wien geschaut haben – sein Gym-Body ist von einem Sixpack-Tattoo gezeichnet, einer Art Arschgeweih andersrum. Durch die Bank jedoch handelt es sich um Herren mit schwerem Gerät: ob nun Motorsäge, Schifferklavier oder „John Deere“-Rasenmäher – der Verweis auf den beruflichen Background darf in den Fotografien von Luise Hardegg und Marcel Schellinger nicht fehlen. Nur das Intimste soll nicht gezeigt werden. Pornografie? Ach was. In der Regel dient die Blankzieherei einem Anliegen – man möchte gegen Studiengebühren protestieren, ein Image aufpolieren oder für Veteranen sammeln – selten geht es bei den aufwändig gestalteten Kalendern allein um einen ästhetisch-erotischen Selbstzweck. Es scheint jenseits persönlicher Eitelkeit tausend gute Gründe zu geben, sich vor der Kamera auszuziehen – und mit einem solchen Grund im Rücken erntet man in Familie und Freundeskreis Schulterklopfen statt Kopfschütteln. Für die Männer gibt es allerdings noch einen zusätzlichen Anreiz: Es sind fast nur Jungbauern, die keine Frau finden. Für sie gibt es neuerdings sogar – auf RTL – eine regelmäßige „Kuppelshow“ namens „Bauer sucht Bäuerin“.
Bis allerdings die jungen Priesterseminar-Absolventen, die für den vatikanischen Priester-Kalender („Calendario Romano“) ihre Soutanen ausziehen, muss noch viel Wasser den Rhein hinabfließen – würde jedenfalls ebenfalls das „veraltete Image der Branche aufbrechen und Vorurteile beseitigen“.
MARTIN REICHERT
Der Jungbauernkalender 2007 kostet für Nichtmitglieder des Bauernbunds 25 € plus Porto. Im Gegensatz zu der bereits ausverkauften „Girls-Edition“ sind die Jungs noch verfügbar: www.jungbauernkalender.at