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Archiv-Artikel

Traumziel: Fernsehen

Man kann sie beim Frühstück nicht mit Marmelade beschmieren und schon gar nicht mit aufs Klo nehmen. Trotzdem wollen alle Zeitungen 2007 ihr Online-Angebot ausweiten, Bewegtbild inklusive

VON KATHARINA SÖCHTIG

Für das kommende Jahr haben sich die Online-Chefs der großen deutschen Blätter so einiges vorgenommen. Wir stellen die großen Pläne der wichtigsten Anbieter im Netz vor.

www.welt.de: Big is best –and beautiful

Wer macht’s? Chefredakteur Christoph Keese sitzt seit einem guten Monat mit 60 Mitarbeitern in einer der größten Online-Redaktion Deutschlands. Wen wundert’s: Schließlich handelt es sich um die Sammel-Redaktion von Welt, Welt am Sonntag, Welt Kompakt und Berliner Morgenpost. Der fusionierte Newsroom soll sich erheblich auf die Qualität der Berichterstattung auswirken, hofft der Chefredakteur: „Da sich jeder Redakteur nur mit einem kleinen Themenbereich beschäftigt, können mehr Hintergrundberichte geliefert werden.“

Was wird passieren? „Online first“ lautet die Parole. Enstehen soll ein „minutenaktuelles Nachrichtenformat“. Bis März soll das Angebot im Bereich Bewegtbild deutlich ausgeweitet werden. Ein Fernsehteam wird aufgestellt, die Planung zur Entwicklung von interessanten und innovativen TV-Formaten laufen auf Hochtouren. Fragt sich bloß: Braucht dieses Springer-TV nicht eine Sendelizenz?

Motto: „Wir sind der größe integrierte Newsroom, deshalb gibt es die beste Qualität bei uns.“

Focus Online: Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert

Wer macht’s? Chefredakteur Jochen Wegner (im Amt seit Januar 2006) arbeitet aktuell mit 35 Redakteuren. 2007 soll personell aufgestockt werden. „Seit der Kooperation mit der Redaktion des gedruckten Focus schreibt die gesamte Printredaktion mit“, sagt Wegner.

Was wird passieren? Im neuen Service „Mein Focus“ kann sich jeder Nutzer sein eigenes Profil zusammenstellen und beliebig Elemente der Website abonnieren. Die „Info-Fülle“ der Seite soll per Verschlagwortung übersichtlicher gestaltet werden. Das ist alles nicht eben neu. Aber auch hier soll 2007 neben die bisherigen Video-News-Schnipsel eigenproduziertes Bewegtbild treten: „Ein eigenes Videoteam wird die Zusammenarbeit mit ‚Focus TV‘ weiter ausbauen“, sagt Wegner. Und natürlich ist auch bei Focus.de „die aktive Einbindung der User“ oberstes Gebot. Deshalb ist der „Community-Aspekt“ von besonderem Interesse. Artikel von Lesern, Leserkommentare, Leserfotos, Leservideos. Sie sollen demnächst journalistisch eingesetzt, honoriert und speziell gekennzeichnet werden.

Motto: „Nachrichten, Nutzwert, Community“

www.stern.de:Die Feuerwerker

Wer macht’s? Frank Thomsen (der frühere Stern-Ressortleiter Politik und Wirtschaft amtiert seit August) bestreitet mit 16 Redakteuren stern.de, auch hier soll 2007 aufgestockt werden. Für Thomsen ist die noch gar nicht so alte enge Zusammenarbeit mit der Printredaktion des Stern eine wichtige Entwicklung: „Viele Heftkollegen schreiben inzwischen für online, viele exklusive News laufen zuerst online.“

Was wird passieren? „Wir werden ein Feuerwerk der Ideen abbrennen“, floskelt Thomsen. Zunächst einmal soll ganz bescheiden das Fotoportal der Website ausgebaut werden. Natürlich gibt es auch hier neue Rubriken und mehr bewegte Bilder. Und: „Im Januar geht es los mit einer täglichen Comedy-Show.“

Motto: „Stern.de ist ‚das‘ Online-Magazin mit allen News – und mehr: Entertainment, Bilder, Communitys.“

www.sueddeutsche.de:Die Charmebolzen

Wer macht’s? Die Online-Redaktion der Süddeutschen Zeitung wird zum neuen Jahr von 10 auf 25 Redakteursstellen erweitert. Und auch hier betont der frisch gebackene Online-Chef Hans-Jürgen Jakobs, dass eine enge Zusammenarbeit mit der Printredaktion in Zukunft ein Muss sei. „Wir planen eine Vollandockung an das News-Desk.“

Was wird passieren? „Wir haben den Anspruch, ein gut recherchiertes, fundiertes Nachrichtentableaux zu liefern“, sagt Jakobs, früher Leiter der Medienredaktion. Dem News-in-Echtzeit-Wahn will sich sueddeutsche.de aber nicht so recht hingeben: In Zukunft wolle man Nachrichten, wenn sie zur Veröffentlichung bereit seien, schon am frühen Nachmittag ins Netz stellen, so Jakobs. Geplant ist außerdem der Ausbau der Website in Richtung mehr Bewegtbild. Ob dafür eine eigene Internet-TV-Redaktion zusammengestellt wird, ist noch offen, aber Formate sind schon in Planung.

Motto: „Sueddeutsche.de ist näher am Thema, aber immer mit Charme.“

Spiegel Online:Die Wichtigtuer

Wer macht’s? Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, mit nun exakt sechs Jahren im Amt der Branchen-Methusalem, arbeitet mit Furcht einflüßenden 60 Redakteuren an spiegel.de. Es ist geplant, zehn weitere Redakteure einzustellen, einige davon bereits zum 1. Januar 2007. Und auch den Carlo kriegt die taz nicht zurück.

Was wird passieren? „Wir planen einen Ausbau in drei Richtungen“, sagt Blumencron. Zunächst soll durch einen Ausbau aller Ressorts und die noch verstärkte Kooperation mit der Printredaktion die Nachrichtenqualität weiter verbessert werden. Daneben steht die enge Zusammenarbeit mit „Spiegel TV“ und die Investition eines siebenstelligen Betrages in aktuelle Video-Inhalte für die Website auf dem Programm. Und: „Wir wollen den Leser stärker einbinden, wo immer es geht.“

Motto: „Mit Spiegel Online schneller wissen, was wichtig ist.“