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Wer drehte das Saddam-Video?

Die irakische Regierung nimmt Ermittlungen auf. Neue Opferzahlen vorgelegt

BAGDAD rtr ■ Die irakische Regierung hat Ermittlungen eingeleitet, wer das offensichtlich per Handy aufgenommene Video von der Hinrichtung des ehemaligen Diktators Saddam Hussein aufgenommen hat. Die inoffiziellen Bilder unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von dem Film, der von der Regierung veröffentlicht wurde: Auf dem Band ist zu sehen und zu hören, wie der ehemalige Diktator bis zum letzten Moment beschimpft und verhöhnt wird.

Die Ermittlungen richteten sich gegen Sicherheitskräfte, die bei der Vollstreckung des Todesurteils am Samstag anwesend waren. Offenbar hätten Wächter die Anordnung missachtet, kein Mobiltelefon mitzunehmen, sagte Chudajer al-Chusai, amtierender Stellvertreter des Justizministers. Die Regierung werde jeden zur Rechenschaft ziehen, „der die höchsten Ansprüche der Disziplin und des Respekts für den Verurteilten“ verletzt habe. Die Vollstreckung des Todesurteils am Samstag zum Auftakt eines der größten islamischen Feste wurde von den Schiiten gefeiert, löste aber Wut und Rachegefühle unter den Sunniten aus. Der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki hatte US-Regierungsvertretern zufolge gegen deutlichen Widerstand der USA auf eine schnelle Hinrichtung des ehemaligen Machthabers gedrängt. „Die Amerikaner wollten die Hinrichtung um 15 Tage aufschieben. Aber der Ministerpräsident war sehr hartnäckig“, sagte ein Regierungsvertreter.

In der nordirakischen Stadt Mossul zogen am Dienstag hunderte Sunniten durch die Straßen, um ihrem Ärger über die Vorgänge während der Hinrichtung Saddams Luft zu machen. Die größte Sunnitenpartei, die Irakische Einheitsfront, stellte den Willen der von Schiiten geführten Regierung zur nationalen Versöhnung in Frage: „Das muss sie erst einmal unter Beweis stellen“, sagte der Parteivertreter Salim al-Dschiburi.

Zahlreiche Menschen pilgerten nach Tikrit, wo Saddam Hussein bestattet wurde, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. In mehreren Städten protestierten Menschen gegen die Hinrichtung.

Der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten fielen im Dezember den offiziellen Statistiken zufolge 1.930 Zivilisten zum Opfer. Insgesamt sind nach Angaben des Innenministeriums im vergangenen Jahr 12.320 Zivilisten getötet worden, zudem 1.231 Polizisten und 602 irakische Soldaten. UN-Statistiken zufolge kommen derzeit täglich 120 Zivilisten um. Allein für Oktober hatte die UNO auf der Basis von Daten des Gesundheitsministeriums und des Bagdader Leichenschauhauses rund 3.700 tote Zivilisten errechnet.

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