: Extrawürste beim Mindestlohn
LOHNUNTERGRENZE Eine Woche bevor der Bundestag über den Mindestlohn abstimmt, einigen sich Minister und Fraktionen auf Sonderregelungen für Zeitungszusteller, Saisonkräfte und Praktikanten
BERLIN taz/dpa/rtr | Der Kampf um Ausnahmen beim Mindestlohn geht eine knappe Woche vor der Abstimmung im Bundestag in die Endrunde. Nach Agenturmeldungen hat sich die Regierungskoalition jetzt doch noch auf Änderungen am Gesetzentwurf verständigt. Für Zusteller, Saisonkräfte und Praktikanten soll es Sonderregelungen geben. Die Details waren bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Der Vorschlag aus Koalitionskreisen, Zeitungsverlegern für minijobbende Zusteller einen Rabatt bei den Arbeitgeberbeiträgen einzuräumen, ist allerdings vom Tisch. Vielmehr sollen Verlage jetzt die Möglichkeit haben, den geplanten Mindestlohn von 8,50 Euro für die Zusteller zeitlich gestaffelt einzuführen.
Das Gesetz zum Mindestlohn, das am Freitag nächster Woche verabschiedet werden soll, sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2015 grundsätzlich eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro brutto in der Stunde in Deutschland gelten soll. Nur in Bereichen, in denen niedrigere Branchenmindestlöhne existieren, sind diese noch bis zum 1. Januar 2017 wirksam.
Wenn den Zeitungsverlegern jetzt allerdings Ausnahmen wie eine zeitliche Verzögerung des Mindestlohnes eingeräumt werden, dürften andere Branchenvertreter das Gleiche für sich beanspruchen. Angesichts der Rabatt-Diskussion hatte bereits Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Dehoga, der taz gesagt, man gehe davon aus, dass eine solche Lösung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht nur auf die Zeitungszusteller begrenzt werden könne.
Der Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde ab dem 1. Januar 2015 setzt auch die Hotel- und Gaststättenbranche unter Druck, da in vielen Restaurants und auch bei Pizzazulieferern erheblich niedrigere Stundenlöhne von 6 oder gar 5 Euro gezahlt werden. Der Dehoga versucht jetzt mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten einen Tarifvertrag für einen Branchenmindestlohn zu vereinbaren, der die 8,50 Euro erst verzögert kommen ließe.
Im Gastgewerbe könnte das Gesetz zum Mindestlohn noch eine andere Auswirkung haben. Nicht wenige Kneipen nämlich melden die Aushilfskräfte zu einem bestimmten Verdienst als Minijobber an und zahlen dann den weiteren Stundenlohn quasi schwarz drauf. Das Mindestlohngesetz verpflichtet Arbeitgeber künftig dazu, bei geringfügiger Beschäftigung die Stundenzahlen zu dokumentieren und dies aufzubewahren. Damit würde es schwieriger zu schummeln.
Im Taxigewerbe versucht der Berufsverband am kommenden Donnerstag noch einen tariffähigen Arbeitgeberverband aus der Taufe zu heben, um mit der Gewerkschaft Ver.di einen Tarifvertrag für eine Übergangszeit bis zum 1. Januar 2015 abzuschließen. BARBARA DRIBBUSCH