: Nur für Stammgäste
Ab 19. Januar spielen die besten Handballnationalmannschaften um den Weltmeistertitel – im Free-TV wird nur wenig davon zu sehen sein
aus berlin andreas rüttenauer
Ein neues Schlagwort macht derzeit die Runde in der Welt des Sportrechtehandels. Zielgruppensportart heißt es. Davon gibt es viele in Deutschland. Unter einer Zielgruppensportart versteht man eine Disziplin, für die sich nur eine gewisse Stammklientel interessiert. Das sind in Deutschland alle Sportarten außer Fußball. Nur die Kicker haben gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Die Ballsportart mit der zweitgrößten Anhängerschaft im Lande ist von einer derartigen Relevanz weit entfernt. Handball lässt sich nur zielgruppennah vermarkten. Das sagt zumindest Robert Müller von Vultejus, Geschäftsführer der Sportvermarktungs- und TV-Rechteagentur Sportfive. Die besitzt die Fernsehrechte an der Handball-WM, die am Freitag nächster Woche beginnt, und ist mitverantwortlich dafür, dass im frei empfangbaren Fernsehen nicht viel mehr als die Spiele der deutschen Nationalmannschaft und derer Gruppengegner zu sehen sein werden.
Lange Zeit sah es sogar so aus, als würden nur die deutschen Spiele live im Free-TV übertragen. ARD und ZDF hatten die Rechte dafür erworden. Doch niemand wusste so recht zu sagen, was passiert, wenn die Deutschen früh ausscheiden. Es gab Befürchtungen, nicht einmal das Endspiel würde übertragen. „Wir haben Signale, dass es gezeigt wird“, sagte Müller von Vultejus am Dienstag in Berlin. Und der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, Frank Bohmann, fügte an: „Man muss eben sehen, wie das dann ins jeweilige Sendeschema passt.“ Der Chef der nach eigener Einschätzung stärksten Handball-Liga der Welt scheint sich abgefunden zu haben mit der Rolle des Handballs als Zielgruppensportart. Großes Egagement von ARD und ZDF hat er offenbar gar nicht erwartet.
Bohmann und Müller von Vultejus präsentierten gemeinsam mit dem Chef der Basketballbundesliga, Jan Pommer, am Dienstag in Berlin einen neuen Fernsehsender. „Sportdigital.tv“ heißt der Kanal, der zur Handball-WM an den Start geht und ab 19. Januar alle 92 Spiele des Turniers via Internet präsentiert. Für 19,99 Euro können sich internetaffine Handballfans die Spiele auf den Bildschirm holen. Angeblich ist für den Empfang im Netz nicht einmal ein ultraschneller Breitband-Anschluss nötig.
Für Müller von Vultejus ist die Handball-WM ein willkommener Anlass, das neue Geschäftsfeld von Sportfive einzuführen. Die Agentur hat einen eigenen TV-Kanal gegründet, der demnächst alle Begegnungen der Handball- und Basketballbundesliga live übertragen wird. Ab Herbst nicht nur via Internet, sondern auch über Kabel und Satellit. Sportfive tut alles, um auch an den Spielen, die sich nicht zu einem für die Agentur zufriedenstellenden Preis verkaufen lassen, zu verdienen. Die Zielgruppe soll direkt angezapft werden. Hauptgeschäfstfeld soll aber weiterhin der klassische TV-Rechtehandel bleiben. Die neue Strategie von Sportfive wird eine Tendenz verstärken, die zuletzt auch beim Handel mit anderen Sportrechten zu beobachten war. Bilder von sportlichen Großveranstaltungen werden nicht mehr im Paket verkauft, sondern aufgeteilt in verschiedene Päckchen. Auch bei der Fußballeuropameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz, die Rechte liegen auch hier bei Sportfive, könnte es zu einer Aufsplitterung der Übertragung auf mehrere Sender kommen.
Bob Hanning, ehemaliger Bundesligatrainer und derzeit Manager des ambitionierten Zweitligisten Reinickendorfer Füchse, ist entsetzt darüber, wie die Handball-WM in Deutschland präsentiert wird. Zwar freut sich der begabte Kommunikator, der es wie kaum ein Zweiter in der Handballszene versteht, seinen Sport in die Schlagzeilen zu befördern, dass nach dem Vertrag, den Sportfive gestern mit dem DSF geschlossen hat, nun doch ein paar Spiele mehr übertragen werden als zunächst befürchtet. Auch glaubt er, dass „wir eine schöne WM erleben werden“. Er sagt aber auch, dass es eine „familiäre Veranstaltung“ werden wird. Der Schub, den er sich von der WM gewünscht hatte, werde wohl ausbleiben. „Der Handballsport hat nicht die Präsenz, die er verdient“, sagt Hanning, der mehr will, als nur die Zielgruppe bedienen.
Die ist für die Politik nur bedingt interessant. Ein Aufschrei über die geringe TV-Präsenz der Handball-WM war nicht zu vernehmen. Unvergessen ist noch der laute Protest der Politik, als zu befürchten stand, dass wichtige Spiele bei der Fußball-WM 2002 in Japan und Südkorea nur via Pay-TV zu sehen sein würden. Handball ist eben eine Zielgruppensportart. Die Patenschaft für die WM übernimmt demnach auch nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) oder Bundespräsident Horst Köhler. Gestern wurde Peer Steinbrück (SPD) in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der EU-Finanzministerkonferenz als offizieller WM-Pate in Berlin vorgestellt.