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Archiv-Artikel

Eine Fehlkalkulation fand nicht statt

SPARSAMKEIT Der rot-grüne Senat kann die immensen Preisunterschiede in den Schätzungen für die geplante Sanierung des alten Standesamtes nicht erklären und legt jetzt trotzdem eine Einsparliste vor

Von MNZ

Nach wie vor nicht erklären kann der rot-grüne Senat, wieso die Sanierung des Standesamtes in der Hollerallee bei Immobilien Bremen 5,4 Millionen Euro, bei privaten Bremer Baufirmen aber nicht mal halb so viel kosten soll. Eine „Fehlkalkulation“ liege nicht vor. Das ist das Ergebnis einer 15-seitigen Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion.

Auch Immobilien Bremen hatte mal eine eigene Kostenschätzung, die sich auf 2,5 Millionen Euro belief. Die datiert im Kern aus dem Jahr 2002, ergänzt um eine pauschale Hochrechnung der Innensanierung von 2005. Dabei wurden aber weder Außenanlagen noch Grundleitungen berücksichtigt. Viele Schäden hätten bei bloßer Inaugenscheinnahme nicht erkannt werden können, so der Senat. Als im Herbst 2009 die geschätzten und von Rot-Grün zunächst akzeptierten Gesamtsanierungskosten auf 5,4 Millionen Euro angestiegen waren, wurde indes von der „tiefer gehenden Erörterung“ einer „Einsparliste“ abgesehen. Stattdessen schien ein Neubau, angemietet über 20 Jahre, wirtschaftlicher zu sein.

Ehrenbürger Klaus Hübotter, erfolgreicher Sanierer zahlreicher historischer Immobilien in Bremen, taxierte die Sanierungskosten jüngst auf 2,5 Millionen Euro. Der Chef einer anderen Firma bot gar an, das Gebäude von 1901 für 2,2 Millionen Euro zu renovieren, Denkmalschutz und behindertengerechter Zugang inklusive. Gleichwohl verweist der Senat darauf, dass die öffentliche Hand allerlei Standards zu beachten habe, von denen „nicht jeder auch bei privaten Baumaßnahmen“ gelte. Nur „die notwendigsten Reparaturen“ durchzuführen, möge preiswerter erscheinen, sei jedoch mittelfristig in aller Regel unwirtschaftlicher. Welche Sanierungsbedarfe die beiden privaten Bauunternehmer in ihren Schätzungen berücksichtigt hätten, könne man nicht sagen.

Nachdem angesichts der regen öffentlichen Debatte nun doch die „Einsparliste“ für das alte Standesamt wieder hervorgekramt wurde, ist diese nun offiziell: das Haus bekommt beispielsweise keine völlig neue Treppe – stattdessen wird die alte „ertüchtigt“. Auch auf ein Rollregallager im Keller muss verzichtet werden, ebenso wie auf „weitgehende Veränderung“ des Grundrisses im zweiten Stock. Auch bei der Regelungstechnik, der Sanierung der Natursteinfassade oder den Außenanlagen soll gespart werden. Gleichwohl ergäben sich alles in allem „deutliche Verbesserungen“ für Heiratende ebenso wie für Verheiratende. Und in der Zukunft will Rot-Grün nach eigenem Bekunden dann „noch stärker“ darauf achten, wie „Nutzungsanforderungen und Standards festgelegt werden“. MNZ