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Archiv-Artikel

Kreativbranchen fürchten um ihren teuren Nachwuchs

MINDESTLOHN Vertreter der Film- und Bühnenverbände stöhnen über 8,50 Euro Stundenlohn für Praktikanten. Die seien nur Auszubildende und sollten auch entsprechend gering bezahlt werden

„Wir bekommen ein Nachwuchsproblem

JENS STEINBRENNER VON DER ALLIANZ DEUTSCHER PRODUZENTEN

BERLIN taz | Praktika sind dafür da, dass junge Menschen Erfahrungen sammeln. Aber keineswegs nur positive, wie man auf der Webseite waspraktikantenverdienen.tumblr.com nachlesen kann. Sechs Monate in einer Filmproduktionsfirma in Berlin, schreibt dort einer, der anonym bleiben will, Wochenarbeitszeit 40 Stunden und mehr, Gehalt: 250 Euro. Damit ist er keine Ausnahme: Gerade in der Kreativbranche gehören viele schlecht bezahlte Praktika zum Standard.

Dem soll das neue Gesetz zum Mindestlohn einen Riegel vorschieben. Denn auch Praktikanten, die länger als drei Monate arbeiten, müssen künftig 8,50 Euro pro Stunde bekommen. Doch die Verbände der Film-, Fernseh- und Theaterschaffenden sind davon nicht begeistert.

„Das wird dazu führen, dass wir in der Filmproduktion ein Nachwuchsproblem bekommen werden, weil wir weniger Praktikanten beschäftigen können“, sagt Jens Steinbrenner von der Allianz Deutscher Produzenten. In der Branche gebe es viele Berufe, die weder klassische Ausbildungsberufe noch Studiengänge sind und nur „on the job“ erlernt werden können – Beleuchter zum Beispiel. Diese seien, so Steinbrenner, meist gelernte Elektriker, die am Filmset Verkabelung, Stromversorgung und Sicherheitsbestimmungen lernen und dann von der Industrie- und Handelskammer als Filmbeleuchter zertifiziert werden.

Ihr Einstieg in die Branche sei bisher ein Praktikum, das anfangs mit durchschnittlich 600 Euro vergütet wird, aber länger als drei Monate dauert. „Betriebswirtschaftlich gesehen, kosten Praktikanten mehr, als sie uns einbringen“, sagt Steinbrenner.

Ähnlich argumentiert auch der Deutsche Bühnenverein. In einem Papier, das der Verband im Juni an den Ausschuss für Arbeit und Soziales richtete, wird vorgerechnet, dass viele der 150 Theaterberufe nicht klassisch erlernt werden können. „Dies geschieht üblicherweise durch ein Hospitanten- oder Praktikantenverhältnis von oft bis zu einjähriger Dauer.“ Praktikanten, so die Logik der Film- und Theaterbranche, seien nichts anderes als Auszubildende und damit entsprechend zu bezahlen.

Zwar sind viele Praktikanten, wie das Beispiel Beleuchter zeigt, keine unwissenden Auszubildenden, sondern haben eine Lehre gemacht oder sind mitten im Studium. Doch mehr Geld sei in der Kreativbranche nicht drin: Der Bühnenverein verweist auf die sinkenden Theater- und Orchesterzuschüsse, Steinbrenner auf die Fernsehsender, die die Produktionsbudgets so knapp kalkulieren, dass ein Mindestlohn für Praktikanten nicht drin ist – oder zumindest bisher nicht drin war. Immerhin gibt es nun eine gesetzliche Grundlage, die zum Mindestlohn für Praktikanten verpflichtet.

Auch die Auftraggeber und Fernsehsender werden kaum drum herumkommen, dies zu akzeptieren. ANNE FROMM