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Archiv-Artikel

Dirty Dozen aus Down Under

5.000 Tonnen hochgiftiges Hexachlorbenzol sollen in der Müllverbrennungsanlage Herten entsorgt werden. Nicht alle halten das für logisch, denn der Abfall kommt aus Australien

VON KLAUS JANSEN

Wenn Werbetexter Müll anpreisen, klingt das so: „Sie sind Feuer und Flamme für Herten. Wir sind heiß auf ihre Gewerbeabfälle.“ Mit diesem Zweizeiler wirbt die Entsorgungsfirma AGR für ihren Müllverbrennungsstandort Herten. Nun ist das Buhlen der Tochterfirma des Regionalverbands Ruhrgebiet (RVR) erhört worden – im fernen Australien. Von dort aus will der Sprengstoffhersteller Orical in den kommenden zwei Jahren 5.000 Tonnen Sondermüll an den nördlichen Rand des Reviers verfrachten, um ihn dort zu verbrennen.

Bei der umstrittenen Fracht handelt es sich um hochgiftiges Hexachlorbenzol (HCB). In Europa ist die Chemikalie seit 1981 verboten, in den australischen Orical-Werken liegen jedoch noch belastete Holz- und Betonreste herum. Die sollen jetzt per Schiff und Bahn nach Herten geschafft werden. „Wir können damit umgehen. Uns ist egal, ob der Müll aus Herne oder sonst woher kommt“, sagt AGR-Sprecher Heinz Struszczynski. Die Australier zahlen gut, und in Herten sind Kapazitäten frei.

Bürgerinitiativen und Umweltschützer fürchten dagegen Belastungen für die Anwohner. „HCB gehört zum dreckigen Dutzend der Ultra-Gifte“, sagt Dirk Jansen, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW. Bei der Verbrennung würden giftige Dioxine freigesetzt. Dies passiere vor allem dann, wenn nicht genügend Hitze erzeugt werde. Die Hertener Anlage kommt nur auf gut 950 Grad, normalerweise wird HCB bei über 1.100 Grad verbrannt. „Es ist skandalös, dass Nordrhein-Westfalen zum Klo für den weltweiten Sondermüll wird“, sagt Jansen. Sein Verband prüft bereits Klagen für den Fall, dass der Transport erlaubt wird.

Die 16.000 Kilometer lange Reise ist deshalb ein Politikum, zumal die AGR als Tochterfirma des RVR umstritten ist. Gegründet als Stadtwerke-Ersatz für den Zusammenschluss der Ruhrkommunen, sollte sie sich ursprünglich um den Müll der Bevölkerung vor Ort kümmern. Aber weil das Geschäft mit dem Müll lukrativ ist, spielt die Firma seit Jahren auf dem internationalen Abfallmarkt mit. Nun wird wieder der Vorwurf laut, das Unternehmen denke nur ans schnelle Geld und vernachlässige Risiken.

Aus Sicht der AGR ist die Entsorgung des australischen Mülls bloß Tagesgeschäft. „Unsere Anlage ist für solche Stoffe ausgelegt“, sagt Sprecher Struszczynski. Tatsächlich gelten deutsche Müllverbrennungsanlagen als weltweit führend, weshalb auch Kritiker des Mülltourismus in einem Dilemma stecken. „Es ist besser, wir entsorgen den Giftmüll bei uns, als dass er von irgendwelchen Mafiosi in Afrika oder auf dem Atlantik verklappt wird“, sagt der Chef der Grünen in der RVR-Verbandsversammlung, Martin Toennes. Dennoch sieht er in dem Australien-Geschäft einen schweren Imageschaden für die AGR und auch für die Ruhrkommunen. „Man kann gar nicht genug Geld verdienen, um das wieder gutzumachen“, sagt er.

Heute soll der Umweltausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags über den Transport debattieren. Viel Unterstützung vom zuständigen Minister Eckhardt Uhlenberg (CDU) können die Müllverbrenner dort nicht erwarten. Der Minister bekam gestern einen Brief vom BUND und der Coordination gegen Bayer-Gefahren, in dem die Organisationen ein Verbot des Giftmüllimports fordern. In den Abfallverbrennungsanlagen der Bayer AG in Leverkusen und Dormagen sollen nämlich weitere 6.000 Tonnen des australischen Mülls entsorgt werden. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass eine dicht besiedelte Region wie NRW zum Ziel internationaler Giftmülltransporte werde, so die Umweltschützer. „Wir verstehen die Bedenken“, sagt eine Ministeriumssprecherin. Verhindern könne man den Transport aber nicht. Dies sei Sache der Bezirksregierungen.

In Münster wartet man dort nur noch auf letzte Unterlagen aus Australien. „Wenn die da sind, werden wir sehr wahrscheinlich eine Genehmigung erteilen“, sagt Jost Brintrup vom zuständigen Abfalldezernat. Wenn die Landespolitik nicht interveniert, könnte der Mülltransport nach Herten also schon im Februar anlaufen. Dem dortigen Bürgermeister Uli Paetzel (SPD) scheinen die abfälligen Geschichten über die AGR langsam peinlich zu sein. Er verstehe seine Bürger, könne sich in der Angelegenheit aber noch nicht positionieren, teilte er mit. Echte Müll-Werbetexter hätten sicher schönere Worte für einen der größten Arbeitgeber der Stadt gefunden.