: „Pizza auch mal ohne Schinken“
Nikolaus Geyrhalter isst seit der Arbeit an „Unser täglich Brot“ weniger Fleisch – aus Respekt
taz: Herr Geyrhalter, hat der Film Ihr Konsumverhalten verändert?
Nikolaus Geyrhalter: Na ja, ich habe vorher auch schon viel Bioprodukte gekauft. Ich esse aber, seit ich den Film recherchiert habe, weniger Fleisch.
Warum?
Nicht weil ich glaube, dass man keine Tiere umbringen soll, sondern weil man Fleisch bewusst essen soll. Ich brauche nicht auf jeder Pizza Schinken.
Warum durften Sie in diesen Agrarfabriken drehen? Was haben sich die Betreiber davon versprochen?
Sehr viele haben Nein gesagt. Die Branche ist Öffentlichkeit gegenüber sehr skeptisch. Die anderen, die im Film sind, hatten verschiedene Gründe. Manche wollten wirklich gerne zeigen, was sie leisten können. Andere hat überzeugt, dass wir auf einen Kommentar verzichten und nur zeigen, was ist. Alle haben gewusst, dass wir keinen Werbefilm drehen.
Sie zeigen auch serielle Tötungen von Tieren. Wie haben Sie diese Blutszenen dosiert?
Wir hätten viel mehr Blut zeigen können, aber wir wollten kein Blut als Selbstzweck.
Empfinden Sie das, was sie zeigen, als Schändung der Natur?
Es ist zutiefst respektlos. Alles, was wir essen, hat mal gelebt und verdient Respekt. Die Meisten aber konsumieren, ohne sich einen Gedanken über die Herkunft der Lebensmittel zu machen.
Woher kommt dieser Mangel an Interesse?
Für die Konsumenten ist es – ganz banal – bequem, sich nicht dafür zu interessieren, woher die Lebensmittel kommen. Dazu kommt, dass die Industrie mit ihrer Imagewerbung und Verpackung ja das Bild verbreitet, dass ihre Produkte von einem hübschen, idyllischen Bauerhof stammen.
Also auf der einen Seite eine verschwiegene Industrie, auf der anderen Seite Tiefkühlkost und Bequemlichkeit …
So kann man es sagen. Die Lebensmittelindustrie ist eine Art Parallelwelt. Die Leute, die dort arbeiten, können sich nicht vorstellen, dass wir, die Konsumenten, so wenig wissen, was dort geschieht. Produktion und Essen sind wie zwei getrennte Universen. Es ist seltsam, dass so ein völliges Abschließen und Nichtwissen in einer offenen Gesellschaft möglich ist. Dass etwas so Alltägliches so im Verborgenen liegt, hat etwas Beunruhigendes.
Der Film zeigt eine Welt, in der es darum geht, möglichst viele Hühner und Kühe in möglichst kurzer Zeit in möglichst viel Fleisch zu verwandeln. Gibt es ein Zurück hinter diese Effektivitätsdoktrin – oder nur immer noch mehr Effektivität?
Nein, es gibt kein Zurück. Es gibt zwar die Bioproduktion, die gegen die Agrarindustrie entstanden ist. Aber in dem Moment, in dem Bioprodukte Massenkonsum werden, werden sie in ähnlichen Fabriken hergestellt. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass Biowaren vom Bauern kommen, der ein paar Schafe und Kühe hat. Und auch wenn künftig mehr Bioprodukte gekauft werden – die Industrie ist nicht aufzuhalten. Der Zug ist abgefahren
Warum?
Die Konsumenten wollen billige Lebensmittel, die Aktionäre hohe Gewinne. Es gibt für die Konzerne im Grunde kein Regulativ.
INTERVIEW: STEFAN REINECKE