: Ungeliebte Pionierin
Am 1. November 1996 war Helene Hofmann ein Novum: Sie wurde die erste hauptamtliche Bürgermeisterin in Niedersachsen. Seither ist sie Verwaltungschefin in Bad Sachsa, was sie zur dienstältesten im Land macht. Nun aber könnte die Ära der Sozialdemokratin zu Ende gehen: Am Sonntag, 13. Juli, wird in der Kleinstadt im Südharz gewählt – und es sieht nicht gut aus für Hofmann. Die Basis hat ihr die Gefolgschaft gekündigt.
Gerade mal 20 Unverzagte scharten sich beim letzten Grillabend noch um sie. Prominente Genossen wie der stellvertretende Landrat Klaus Liebing zeigen sich im Wahlkampf lieber mit Axel Hartmann – dem CDU-Kandidaten. Dessen Sommerfest lockte hunderte Bürger an. Vor drei Wochen gab der langjährige SPD-Ortsvereinsvorsitzende Gunter Grimm sein Amt ab und erklärte öffentlich, die Bürgermeisterin nicht mehr zu unterstützen.
Die Gründe für die drohende Niederlage sind hausgemacht und fast scheint es, als hätte Bad Sachsa einfach die Nase voll. Dabei gab es einmal eine Liebesbeziehung zwischen der gebürtigen Würzburgerin und den Menschen in Bad Sachsa: Bei der letzten Wahl im September 2006 konnte die Amtsinhaberin sich gegen drei männliche Konkurrenten schon im ersten Wahlgang durchsetzen.
Turnusgemäß endet ihre Amtszeit am 31. Oktober 2014. Lange war unklar, wie es dann weitergehen soll – bis Hofmann im Februar den Stadtrat mit einem Antrag auf Verlängerung um zwei Jahre überrumpeln wollte. Das erlaubt die niedersächsische Rechtslage Kommunen, die sich in Fusionsverhandlungen befinden. Was spontan aussehen sollte, war von langer Hand vorbereitet: Schon im November 2013 war der innere Zirkel der örtlichen SPD in den Plan involviert. Der Stadtrat stimmte der Verlängerung dann aber nicht zu.
Das Ende der Liebesbeziehung liegt schon im Jahr 2011: Im Frühjahr kam ans Tageslicht, dass Hofmann ihr neues BMW Cabriolet über das Rathaus bestellt und angemeldet hatte. Die Vergünstigungen, die der bayerische Hersteller kommunalen Spitzen gewährt, waren wohl zu verlockend. Die Leasingraten zahle sie selbst, erklärte Hofmann damals, und außerdem sei es ja ein halber Dienstwagen. Drei Monate später musste sie dann einen Rückzieher machen.
Im Herbst 2011 kassierte die SPD dann die Quittung: Bei der Kommunalwahl verlor sie 10 Prozentpunkte – und die Mehrheit im Rat.
Hinter dem sehr wahrscheinlichen Groll so manches Genossen verschwinden die Verdienste der Bürgermeisterin: nicht zuletzt die Sanierung der Innenstadt aus EU-Mitteln und die Entschuldung der schwer belasteten Stadt. Auf der andern Seite aber stehen Schattenhaushalte und Geheimhaltungspolitik. Erst im Wahlkampf machte Hofmann etwa vage Aussagen zur Bebauung des naturgeschützten Ravensbergs, obwohl die Pläne dafür seit Monaten vorliegen.
Am Sonntag nun stellen sich der Amtsinhaberin – die gestern ihren 62. Geburtstag feiern konnte – wieder zwei Männer entgegen: Mario Dziedzinski kandidiert für den Bürgerverein Bad Sachsa. Der Immobilienfachwirt verzichtet allerdings auf Wahlkampf und wird in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.
In einer anderen Liga spielt da schon der CDU-Kandidat Axel Hartmann: Als ehemaliger Diplomat versprüht er einen Hauch von weiter Welt in der südniedersächsischen Provinz. Seine internationalen Verbindungen will er erklärtermaßen in Sachen Gewerbeansiedlung nutzen. Im Mai lobte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht seine Verdienste beim Aufbau ihres Landes.
Für die Wähler zählt aber wohl vor allem eines: Hartmann ist einer von ihnen. Er wurde in Bad Sachsa geboren, ging dort zur Schule, machte am örtlichen Gymnasium Abitur. Mit 66 Jahren ist er allerdings bestenfalls eine Übergangslösung.
Zu tun gibt es einiges: Die Renaissance des Harz-Tourismus geht an Bad Sachsa bisher vorbei, und die Lücke zwischen Selbstbild und Realität wird gerne mit Lokalpatriotismus in extremer Form gefüllt. Wie es aussieht, ist dafür demnächst der Übergangsbürgermeister zuständig. THOMAS KÜGLER