: Triumph für Politikneuling
SLOWENIEN Der Jurist Miro Cerar gewinnt mit seiner neu gegründeten Partei SMC überraschend die Parlamentswahlen. Die Regierungsbildung dürfte nicht einfach werden
VON ERICH RATHFELDER
SPLIT taz | Als der Jurist Miro Cerar vor fünf Wochen angesichts der Korruption und des wirtschaftlichen Stillstands in Slowenien eine neue Partei gründete, gab es in der heimischen Presse humorvoll abwertende Kommentare. Den Kritikern dürfte nach dem überragenden Wahlsieg des Jura-Professors am Sonntag inzwischen das Lachen vergangen sein. Denn nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen kam Cerar auf 35 Prozent und kann für seine Partei SMC mit 36 der 90 Sitze im Parlament rechnen.
Manche bezeichnen seine politische Position als „grün-liberal“, andere sehen ihn als neuen Stern einer politischen Mitte, der das Links-rechts-Blockdenken in Slowenien mit einer pragmatischen und moralischen Politik überwinden will. Sicher ist, dass Cerar nun eine neue Regierung bilden kann. Doch das wird nach dem vorläufigen Wahlergebnis nicht einfach sein. Denn es mangelt an zuverlässigen Bündnispartnern.
Eine Allianz mit der konservativen Slowenischen Demokratischen Partei (SDS) schloss Cerar sofort aus, denn er ist ja mit dem Wahlversprechen angetreten, gegen die Korruption vorzugehen. Der Chef der SDS, Janez Jansa, sitzt seit Juni wegen Bestechung für zwei Jahre im Gefängnis. Die Partei des früheren Ministerpräsidenten und Verteidigungsministers, die 21 Prozent der Stimmen erreichte, will die Wahl nicht anerkennen. Parteisprecher reden von Wahlbetrug. Und Jansa, der sich selbst als politischen Gefangenen bezeichnet, distanzierte sich klar vom Wahlsieger.
Die dritte Kraft, die Demokratische Partei der Pensionäre, die auf rund 10 Prozent der Stimmen kam, dürfte als Koalitionspartner ebenfalls nicht in Frage kommen. Denn den Pensionären geht es um den Erhalt ihrer Rentenansprüche und sie wehren sich gegen alle von der EU vorgeschlagenen Kürzungen im Staatshaushalt. Cerar wird aber nicht umhin kommen, die Sparpolitik seiner Vorgängerin Alenka Bratusek, wenn auch mit einigen Abstrichen, fortzusetzen.
Bratusek hatte die Neuwahlen mit ihrem Rücktritt ermöglicht. Vorausgegangen war eine Vertrauenskrise in ihrer alten Partei Positives Slowenien, der Wahlsiegerin von 2011. Nachdem der alte Parteichef und Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Jankovic, wegen Korruptionsvorwürfen als Parteichef hatte zurücktreten müssen, hatte Bratusek vor 13 Monaten die Parteiführung und die Regierungsverantwortung übernommen. Ihre unpopuläre Sparpolitik brachte ihr zwar Respekt im In- und Ausland ein, doch die Umfragewerte sanken. Der als Macho verschriene Jankovic nutzte ihre Schwäche und versuchte sie in diesem Frühjahr loszuwerden. Bratusek gründete daraufhin ihre eigene Partei (Bündnis Alenka Bratusek) und schaffte am Sonntag knapp den Sprung über die Vierprozenthürde. Jankovic und seine Partei scheiterten daran.
Bratusek ist damit noch im Spiel und für Miro Cerar eine mögliche Koalitionspartnerin. Ihre internationale Erfahrung wird für ihn wohl sogar unverzichtbar sein. In Frage kommen auch die klassischen Linksparteien, die Sozialdemokraten und die Vereinigte Linke, die jeweils rund 6 Prozent der Stimmen erreichten.
Linke unter 10 Prozent
Die Frage nach der politischen Stabilität stellt sich angesichts der geringen Wahlbeteiligung von 39 Prozent und der Bereitschaft der Wähler, immer wieder neuen Parteien zur Macht zu verhelfen. Die Partei Neues Slowenien, die Wahlsiegerin von 2011, liegt jetzt danieder, die Linksparteien sind auf unter 10 Prozent abgestürzt. Auf der Rechten gibt es angesichts des Skandals um Jansa ein Machtvakuum.
Werden die Abgeordneten der neu gegründeten Regierungspartei verlässliche und moralisch integere Menschen sein? Das fragen sich nach den Erfahrungen mit der Partei Positives Slowenien, einer Partei, die ebenfalls mit populistischen Versprechen die Wahlen 2011 gewann, jetzt politische Beobachter in Ljubljana.
„Möglicherweise werden wir noch schneller Neuwahlen haben als dieses Mal“, sagte der Sozialwissenschaftler Matevz Tomsic einer Nachrichtenagentur. Dazu möchte es der neue Regierungschef nicht kommen lassen. Cerar ist zwar ein politischer Newcomer, er kennt sich aber im Lande aus. Er gilt als einer der einflussreichsten Anwälte Sloweniens und half mit, Sloweniens neue Verfassung nach der Unabhängigkeit von Jugoslawien 1991 auszuarbeiten. Anschließend war er 20 Jahre lang Parlamentsberater für Rechts- und Verfassungsfragen. Nach allen seinen Äußerungen ist klar, dass er den Konsolidierungskurs der alten Regierung mit Abstrichen weiterführen wird.
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