: Langer Weg zur Schul-Einigkeit
Schleswig-Holsteins neues Schulgesetz hat den Landtag passiert. Die regierende Große Koalition ist zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss, Opposition und organisierte Eltern, Lehrer sowie Schüler sind es nicht
Noch einmal prallten gestern im Kieler Landtag die Meinungen aufeinander, aber die Mehrheiten standen: Das Parlament beschloss das neue Schulgesetz und damit eines der Kernprojekte der laufenden Amtsperiode. CDU und SPD stimmten dafür, FDP und Grüne dagegen, die SSW-Abgeordneten enthielten sich. Im Februar soll das Gesetz in Kraft treten. „Dies ist kein rotes und kein schwarzes Schulgesetz“, sagte der SPD-Bildungsexperte Henning Höppner, „aber es ist ein gutes Schulgesetz geworden.“ Beide Seiten hätten lange Wege zurückgelegt.
Kernpunkte des Kompromisses sind zwei neue Schulformen: die Regionalschule mit gemeinsamem Unterricht bis Klasse 7, zu der sich Haupt- und Realschulen zusammenschließen müssen, und die Gemeinschaftsschulen, in der bis Klasse 10 gemeinsam gelernt wird. Letztere ersetzen die bisherigen Gesamtschulen, aber jede Schule darf sich zur Gemeinschaftsschule entwickeln. Zentralabitur nach zwölf Jahren und eine neue „Profiloberstufe“ sind weitere Bausteine des Gesetzes. Erreicht werden soll, dass jedes Kind individuell gefördert wird und die Zahl der Sitzenbleiber sinkt.
Über das Konzept gehen die Meinungen weiterhin weit auseinander. Die Großkoalitionäre verteidigen den Kompromiss, obwohl es in besonders in der CDU zahlreiche Gegner gibt: Ursprünglich wollte die Union von Gemeinschaftsschulen nichts wissen und das dreigliedrige System behalten. Nun erklärte die CDU-Bildungsexpertin Susanne Herold: „Mit den Regionalschulen retten wir die Hauptschulen vor dem Zusammenbruch.“
Ekkehard Klug (FDP) beklagt den „Ausstieg aus dem gegliederten Schulsystem“, weil viele Realschulen sich zu Gemeinschaftsschulen entwickeln könnten. Karl-Martin Hentschel (Grüne) sieht dagegen die „viel beschworene Durchlässigkeit der Bildungsgänge beerdigt“, und stellt fest: „Es ist der CDU immer nur ums Gymnasium gegangen.“
Auch außerhalb des Parlaments gibt es heftigen Widerstand: Ein Aktionsbündnis aus Schulverbänden, Elternverein und Landesschülervertretung der Realschulen plant einen Volksentscheid gegen das Gesetz. Pikanterweise gehört auch die Frauenunion der CDU der Runde an. Der Vorsitzende des Elternvereins, Ulrich Kliegis, übergab dem Bildungsausschuss bereits eine Liste mit 4.300 Unterschriften für den Erhalt kleiner Grundschulen. Besonders die Realschulen laufen seit Monaten Sturm gegen das Gesetz – deren Sprecher aus Schüler- und Lehrervertretungen sehen sich als Verlierer der Reform: Die Regionalschulen, zu denen Haupt- und Realschulen verschmelzen, könnten die neuen „Restschulen“ werden, das Bildungsniveau sinken. Aber auch der Philologenverband, die Vertretung der Gymnasiallehrkräfte, hält wenig von dem neuen Gesetz. Die Schülervertretungen aller Schularten schließlich rufen für den 7. Februar zur „Demonstration gegen Bildungsabbau“ in Kiel auf. Das Wort zum Tage sprach gestern im Landtag die SSW-Abgeordnete Anke Spoorendonk: „Nach der Schuldebatte ist vor der Schuldebatte.“ Esther Geißlinger