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Archiv-Artikel

Geheimwirtschaft im Meer, Gemeinwirtschaft in der Schweiz

NACHGEHAKT Die WM ist vorbei. Gemeinwirtschaftliches Wohnen soll in die nächste Stufe gehen. Und: Meeresplastik – wo ist es?

Fünf Schiffe fanden nur einen Bruchteil von 0,1 Prozent der produzierten Menge an Kunststoff

Liebe Fortschritt-LeserInnen, nach der für uns Germanen recht erfolgreichen Fußball-Weltmeisterschaft ist nun auch in dieser Zeitung wieder die übliche Ordnung eingekehrt. Das heißt zwei Seiten Fortschritt statt fünf Wochen nur einer. Wir hoffen, dass ihnen die Lösungen, Beispiele und konstruktiven Vorschläge auf diesen Seiten durch den heißen Sommer helfen.

Wo gilt es nachzuhaken bei Themen, die wir hier behandelt haben? Zuerst zum gemeinschaftlichen Wohnen. Da sind die Schweizer mit ihrer Bewegung Neustart Schweiz recht weit vorn. Sie planen und bauen sogenannte Mikrozentren mit einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten und einer Verankerung in der regionalen Wirtschaft (www.taz.de/!133579 und www.taz.de/!133320). Nun haben diese Schweizer die Idee „Proximity“ lanciert, auf Deutsch Nähe, Nachbarschaft. Damit soll der Schweizer Bundesstaat dazu gebracht werden, finanziell, rechtlich und beratend den Kommunen in der Entwicklung eines landesweiten Netzes aus solchen gemeinwirtschaftlichen und umweltfreundlichen Zentren beizustehen.

Der Schweizer wird wie immer auch konkret: eine Bundesagentur für Nachbarschaftsentwicklung und Relokalisierung schaffen, einen Nachbarschaftsfonds mit anfangs 500 Millionen Franken einrichten und die Landwirtschaftspolitik anpassen. Letzten Samstag gab es in Bern ein erstes schweizweites Treffen. Bis zu einer richtigen Volksinitiative samt Abstimmung ist es allerdings noch ein weiter Weg, weil dafür auch Massenorganisationen und Parteien gewonnen werden müssen (www.neustartschweiz.ch).

In den vergangenen Wochen hatten wir hier eine kleine Serie zu Plastikmüll im Meer, was man gegen ihn tun und wie man aus dem Abfall wieder Flaschen oder gar Skateboards fertigen kann. Nun kam eine Forschungsarbeit heraus, die zeigt, wie wenig wir über das Problem wissen. Professor Carlos Duarte und sein Team von der University of Western Australia nutzten die vier Schiffe der meeresforschenden Malaspina-Expedition, um über Monate hinweg feinmaschige Netze durch die riesigen Plastikwirbel in fünf Ozeanen zu ziehen.

Ihr erstaunliches Ergebnis: Sie fanden nur einen Bruchteil dessen, was sie erwartet hatten (http://bit.ly/TxU7KY). Nach ihren Messungen schwimmen nur 40.000 Tonnen Plastik im Meer. Die Erwartungen stützen sich sowieso auf eine 40 Jahre alte Studie der US-Akademie der Wissenschaften, wonach nur etwa 0,1 Prozent der weltweit jährlich 300 Millionen Tonnen produzierten Plastiks in die See gelangt. Aber das wären trotzdem 300.000 Tonnen – pro Jahr.

Nun fragen sich die Meeresplastikspezialisten: Stimmt die Messung des Duarte-Teams? Wenn ja: Essen den ganzen Rest Meereslebewesen auf? Was passiert dann damit? Oder wird viel mehr Plastik als gedacht zu sehr kleinen Teilchen zerlegt, die durch die feinmaschigen Netze der Westaustralier gingen?

Die Meere bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche, und sie bewahren ihre viel gerühmten Geheimnisse. REINER METZGER