Rio wirbt? Rio rotiert!

Wer Reklame macht, muss manchmal ein Schwein sein. Vom „König von Deutschland“ aber war nie die Rede!

„König von Deutschland“ war einmal eine Anarcho-Hymne. War. Denn neuerdings wirbt die Handelskette Media-Markt mit einer umgetexteten Version des Songs von Rio Reiser. Dessen Fans machen jetzt gegen die Werbung mobil.

„Rio würde sich im Grab rumdrehen, wenn er das noch erleben müsste“, meint der Kölner Musiker Franco Clemens. Reiser sei die linke Symbolfigur der 1980er-Jahre gewesen – gegen Kommerz. Den „Kunstbanausen“ von Media-Markt hat er deshalb einen bösen Brief geschrieben: „Ich bin total sauer, dass das musikalische Erbe von meinem Idol Rio Reiser derart besudelt wird!“

Im Internet machen andere verärgerte Fans ihrem Unmut ebenfalls Luft und sprechen von „kultureller Leichenschändung“. Rio Reiser und der Elektronik-Schnäppchenhandel, das passe zusammen „wie Gummibärchen und Blutwurst“, ist an anderer Stelle zu lesen.

An einer alten Weggefährtin von Rio Reiser prallt solche Emotionalität freilich ab: Die Grünen-Chefin Claudia Roth, die früher Reisers „Ton Steine Scherben“ gemanagt hat, ließ auf taz-Anfrage von ihrem Pressesprecher mitteilen: „Dazu will sie sich nicht äußern. Man muss Prioritäten setzen.“

In der Unternehmenskommunikation trifft man auf Anfrage dagegen nicht auf die im Fernsehen gezeigte Sau, sondern auch Bernhard Taubenberger. Der referiert brav, dass „König von Deutschland“ ein „überaus populärer Song“ sei, „dessen Melodie einen hohen Wiedererkennungswert besitzt“. Er versteigt sich sogar zu der Aussage, das Lied sei so „hinreißend wie mitreißend“. Die Rechte seien geklärt, und ob Reiser selbst die Verramschung seines Songs gemocht hätte, dazu will man sich nicht äußern.

Zum Protest des Musikers Franco Clemens will man sich dagegen in der Chefetage des Media-Markts nicht äußern. Dessen Umgangsformen würden „ganz offensichtlich nicht denen unseres Hauses entsprechen“, teilt Taubenberger mit. Hervorragend zum Haus passt da wahrscheinlich die Reiser-Songzeile „Brennt die Kaufhäuser nieder!“

FRANK ÜBERALL