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Archiv-Artikel

Chance oder Katastrophe KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Wie bei den letzten drei Wahlen hofft die Welt, dass die US-Amerikaner den Republikanern des Präsidenten George W. Bush eine klare Abfuhr erteilen. So wahrscheinlich wie heute war das schon lange nicht mehr. Und wie schon lange nicht mehr geht es mit dem Irakkrieg um ein Thema, das auch außerhalb der USA die Kritik an Bush beflügelt hat. Die Realitätsbewertung der Mehrheit der US-Amerikaner scheint sich, wenn die tatsächlichen Wahlergebnisse nicht erneut die Umfragen Lügen strafen sollten, erstmals wieder der des Rests der Welt anzunähern.

Doch für allzu großen Jubel gibt es keinen Anlass. Selbst wenn es den Republikanern nicht gelingt, mit der – lange absehbaren – Novemberüberraschung des Saddam-Todesurteils noch aufzuholen, selbst wenn die Republikaner tatsächlich verlieren: Dann wird eben eine Denkzettelwahl knapp zugunsten der Demokraten ausgegangen sein. Mehr nicht. Von einem generellen Umschwenken und Umdenken der US-amerikanischen Politik kann nicht die Rede sein. Vielleicht noch nicht. Vielleicht gar nicht. Denn die Verschiebung des US-amerikanischen Mainstreams nach rechts, die in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten stattgefunden hat, wird mit den Wahlen genauso wenig überwunden sein wie die politische Spaltung des Landes. Und auch mit einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus würden die USA in Menschheitsfragen wie etwa dem Klimaschutz weit hinter dem Notwendigen zurückbleiben. Allerdings: Die Demokraten bieten keine Garantie für Fortschritt, die Republikaner aber garantieren Stagnation und Rückschritt.

Es lohnt sich also trotzdem, zu hoffen, dass die Schlagzeilen am Mittwoch früh von der ersten Wahlniederlage George W. Bushs seit seinem Aufstieg zum Gouverneur von Texas künden. Doch eine Restangst bleibt, dass sie sich damit beschäftigen müssen, wie es die Republikaner geschafft haben, in den letzten 72 Stunden die Wahl zu drehen. Das ginge zwar ausschließlich auf das Konto von Karl Roves Wahlkampfmaschinerie, wäre also eine rein innere Angelegenheit der Vereinigten Staaten und sicherlich ein Zeichen für Defizite der US-amerikanischen Demokratie –, politisch aber eine echte Katastrophe, für das Land selbst und weltweit.