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Nah am Reich der Mitte?

■ Standortpolitik ohne kritische Fragen: China-Wochen vom 12. bis 28. September

Nach Mc Donald's hat sie jetzt auch Hamburg eingeführt: die China-Wochen –95 – allerdings haben auch diese einen leicht faden Beigeschmack. Vom 12. bis 28. September sollen über 100 Veranstaltungen in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Sport und Gesundheit den Hamburgerinnen und Hamburgern das Reich der Mitte nahebringen.

Deutlich spürbar ist der Versuch der Veranstalter – Chinesisch-Deutsche Gesellschaft, Ostasiatischer Verein und Hamburger Senat – die wirtschaftlichen Beziehungen zu pflegen und möglichst viele Geschäfte unter Dach und Fach zu bringen. „Keine Stadt in Deutschland hat so viel Bezug zu China wie Hamburg“, sagte Hans-Bernd Giesler, Vorstandsmitglied des ostasiatischen Vereins und Präsident der Chinesisch-Deutschen Gesellschaft, gestern bei der Vorstellung des Programms. Mit über 140 Niederlassungen sind in Hamburg mehr als doppelt so viele Unternehmen aus China vertreten wie in Frankfurt (66), dem nächstgrößten chinesischen Handelsstandort in Deutschland. 60 Prozent des Exports nach China und 35 Prozent der Importe werden über den Hamburger Hafen abgewickelt.

Bei den „China-Wochen“ entstehende persönliche Kontakte sollen, so hoffen die Veranstalter, unmittelbar der Wirtschaft zugute kommen. Unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Henning Voscherau und dem Bonner Botschafter der Volksrepublik China, S.E. Mei Zhaorong, stehen daher wirtschaftliche Beziehungen, Trends und Entwicklungen im Mittelpunkt.

Und solche Standortpolitik braucht ein kulturelles Rahmenprogramm, das das Interesse für das bevölkerungsreichste Land der Welt wecken soll: Stars der China-Wochen sind sechs über 2000 Jahre alte, lebensgroße Terrakotta-Krieger aus der legendären 7000 Mann starken Grabarmee des ersten Kaisers von China, die vom 8. September bis zum 19. November im Museum für Kunst und Gewerbe gezeigt werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Mondfest am 9. September im Museum für Völkerkunde. Auf Kampnagel werden Werke zeitgenössischer chinesischer KünstlerInnen gezeigt. Im Metropolis-Kino haben die chinesische Filmwochen bereits begonnen.

Nicht auf dem Programm steht hingegen das Thema Menschenrechte. „Mit dieser Frage beschäftigen wir uns hier nicht, da die China-Wochen die Beziehungen fördern und nicht behindern sollen“, sagte der Leiter der Senatskanzlei, Reimar Rode. Trotzdem wolle man diese „wichtige Frage“ nicht ausklammern. „Sie können sicher sein, daß der Bürgermeister dieses Thema bei seinen Gesprächen mit den chinesischen Gästen ansprechen wird“, fügte er beruhigend hinzu.

Ludger Hinz

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