: Sahara bis zu den Pyrenäen
Spanien geht das Wasser aus, aber gespart wird nicht. Ein Notplan sieht den Bau von teuren Entsalzungsanlagen für Meerwasser vor ■ Aus Madrid Reiner Wandler
Im fünften Jahr ohne Regen hat die Dürre den Norden der iberischen Halbinsel erreicht. Städte wie Ávila und Salamanca und weite Landstriche Asturiens folgen jetzt dem Beispiel der Südregion Andalusien und drehen jede Nacht das Wasser ab. Noch sind es 6 Stunden, halb soviel wie im Süden. Aber eins ist klar: Nachdem es auch diesen Herbst nicht regnet, geht Spanien langsam aber sicher das Wasser aus.
Acht Millionen Menschen in der Südhälfte des Landes stehen bald ohne Wasser da. Ein Notplan zum Bau von sieben Entsalzungsanlagen soll Abhilfe schaffen. Ein nicht ganz billiges Unterfangen. Mit einer Milliarde Mark schlägt eine Anlage mit einer Kapazität von täglich 40.000 Kubikmeter – der Tageskonsum von 200.000 Menschen – zu Buche. Bezahlen muß der Verbraucher über höhere Wasserpreise. Oberste Priorität gilt für die andalusische Hafenstadt Cádiz. Eine Million Menschen werden seit August per Tankschiffen mit Wasser aus der Nachbarprovinz Huelva versorgt.
Der Notplan zur Entsalzung von Meerwasser wurde in letzter Minute verabschiedet. Die Wasservorräte des Landes sind auf 13 Prozent der Sollkapazität zusammengeschrumpft. Die großen Flüsse führen nur noch ein Bruchteil ihrer früheren Wassermenge. Der Guadalquivir bei Sevilla, Spaniens einziger schiffbarer Fluß, liegt bei sieben Prozent des normalen Wasserstandes, der Barbate bei Cádiz bei ganzen 0,2 Prozent.
Viele der über tausend Stauseen, die das Land versorgen – die ältesten von ihnen aus der Zeit der Römer – sind fast leer. Die Regierung setzte in den letzten Jahren auf den weiteren Ausbau des Stauseesystems und der Wasserpipelines, die das kostbare Naß innerhalb der Regionen verteilen. „Vergebens, wo es nicht regnet hilft alles nicht“, muß Landwirtschaftsminister Luis Atienza jetzt eingestehen. Spät kommt er zur Einsicht, daß am Wassersparen kein Weg mehr vorbeiführt.
83 Prozent des Wassers gehen direkt in die Bewässerungslandwirtschaft – im EU-Durchschnitt sind es nur 57 Prozent. Nicht mal ein Drittel davon kommt tatsächlich auf den Feldern an. Verrottete Bewässerungsrohre lassen den Rest im Boden versickern. Beim den städtischen Leitungsnetzen sieht es nicht anders aus. Zur Reparatur der maroden Rohre fehlt das Geld; elf Milliarden Mark wären nötig. Bleibt eine andere, wenn auch unbeliebte Lösung: Die Umstellung der Landwirtschaft auf weniger bewässerungsintensive und damit weniger gewinnbringende Kulturen und der Ersatz der Flächenbewässerung durch moderne Tröpfchenbewässerung.
Längst hat der Streit um das verbleibende Naß begonnen. Alle Jahre wieder kommt es zum „Krieg ums Wasser“. Die im Zentrum der iberischen Halbinsel gelegene Region Castilla de la Mancha zum Beispiel ist dank dem Fluß Tajo zwar noch eine der wasserreichsten Regionen. Doch selbst hier sind die Wasserreserven auf 16 Prozent des einstigen Volumens zusammengeschrumpft. Mittels eines 350 Kilometer langen und zehn Meter breiten Kanals mußte die Mancha allein dieses Jahr auf Geheiß aus Madird 35 Millionen Kubikmeter Wasser in das Tal des Segura abgeben, wo sie den Zitrusplantagen um Murcia zu Gute kommen. Das sorgt für böses Blut. Wassertransfer ist Reichtumstransfer, so die erbosten Kastilier.
Doch selbst das Wasser aus den Pipelines reicht in Murcia nicht mehr aus. Die Landwirte treiben einen Tiefbrunnen nach dem anderen auf der Suche nach Grundwasser. Auch wenn es leicht versalzen ist, wird es genutzt. Die Folge: 500.000 Tonnen Salz wurden in den letzten Jahren mit dem Wasser auf die Böden ausgebracht. Wenn es nicht wieder regnet bedeutet dies das Ende der Landwirtschaft in der Region. Eine halbe Million Menschen stünde ohne Arbeit da.
Doch bei aller Katastrophenstimmung, für den Tourismus ist immer genug Wasser, das zeigt die Urlaubsoase Costa de Sol in der Provinz Málaga, mitten im Dürregebiet. In Andalusien weiß man, was man der Haupteinnahmequelle, den neun Millionen ausländischen Urlaubern pro Jahr schuldig ist. Der grüne Rasen von 40 Golfplätzen inmitten der dürren, gelben Landschaft lockt das internationale Jet-set. 60.000 Kubikmeter Wasser verschlingt das elitäre Hobby täglich, soviel wie eine Viertel Million Menschen.
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