■ Kommentar
: Blindheit

Was lange währt, wird endlich gut. Diesem Sprichwort folgend müßte das Hamburger Methadon-Programm noch vorbildlicher ausfallen, als es das sechsjährige Modellprojekt bereits war. Denn schon seit Mai wird über dessen Zukunft verhandelt. Und jetzt haben sich die Vertragspartner in letzter Minute weitere drei Monate Bedenkzeit eingeräumt.

Paradox dabei ist, daß das Programm an seinen Erfolgen zu scheitern droht: Jeder Drogenabhängige, der von der Nadel wegkommen möchte, wird aufgenommen – und das ist den Krankenkassen zu teuer. Hochgradig kurzsichtig, kann man da nur diagnostizieren. Denn die Folgekosten für Aids- oder Hepatitis-Behandlungen sind erheblich teurer als die Substitution.

Gegen Kostenargumente spricht auch, daß die Betroffenen so weit stabilisiert werden sollen, daß sie wieder in die Gesellschaft und ins Arbeitsleben integriert werden, sprich: Steuern, Sozialbeiträge und Krankenversicherung zahlen statt von Stütze leben.

Ein noch stärkerer Sehfehler zeigt sich, wenn sich die Kritiker zurückziehen auf die restriktiven Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien). Denn zwei jüngere Urteile des Bundessozialgerichts relativieren diese Richtlinien als bloße Empfehlungen, die auch andere als die medizinischen Indikationen zulassen.

Würden die uneinigen Krankenkassen nach der jetzt vereinbarten Bedenkzeit weiterhin mit ihrer starren Haltung einen breiten Konsens zwischen Fachleuten und Politikern scheitern lassen, wäre das Stadium der drogenpolitischen Blindheit endgültig erreicht. Patricia Faller