: Steine auf dem Weg zum Arbeitsmarkt
■ Modellprojekt der „Hamburger Initiative – Arbeit für psychisch Kranke“ gefährdet Von P. Faller
„Was haben Sie denn vorher gemacht?“ Nichts fürchtete der 45jährige Wolfgang T. bei Bewerbungsgesprächen mehr als diese Frage. Sobald er erzählte, daß er wegen schwerer Depressionen in einer psychiatrischen Klinik war, fiel die Klappe, und das Gespräch war beendet. Deshalb ist der einstige Steward und Hafenfacharbeiter froh, wenigstens einige Stunden in einem Betrieb der „Hamburger Initiative – Arbeit für psychisch Kranke und Behinderte“ beschäftigt zu sein. Sie bietet Arbeitsplätze unter anderem für 45 Menschen, die wegen schwerer psychotischer Erkrankungen wie Schizophrenie und Depression lange Zeit in der Psychiatrie verbrachten.
Dieses Projekt ist nach Aussagen des Geschäftsführers Anton Senner bedroht. Er wirft der Hauptfürsorgestelle in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) vor, die Zuschüsse für die 45 Arbeitsplätze – rund 250.000 Mark pro Jahr – abbauen zu wollen. Heute wird darüber verhandelt.
Das Projekt mit bundesweitem Modellcharakter sei bisher für weit mehr als 100 Menschen der einzig gangbare Weg in den Arbeitsmarkt gewesen, so Senner: „Durch immer wiederkehrende seelische Krisen, durch Psychopharmaka-Einnahme oder ,innere Stimmen' sind sie nicht der Lage, ein stabiles Arbeitsverhalten zu entwickeln und sind damit für den Arbeitsmarkt untauglich.“
Die 36jährige Kerstin beispielsweise bekommt ihre „Krise“ meist im Sommer, wie sie sagt. Dann ist sie erschöpft, fühlt sich überanstrengt und hat vor allem Angst. „Dann arbeite ich langsamer“, sagt die gelernte Hauswirtschafterin. Die Hamburger Initiative ermöglicht ihr, nur wenige Stunden am Tag zu arbeiten – wann sie will. Denn in diesem Teilzeitarbeitsbetrieb paßt sich die Arbeitswelt dem Menschen an. Es wird akzeptiert, daß unregelmäßig gearbeitet wird, daß die Beschäftigten plötzlich gehen oder wiederholt zuhause bleiben.
Insgesamt betreibt die Hamburger Initiative seit zehn Jahren drei Betriebe für psychisch Kranke mit zur Zeit 80 in tariflich entlohnten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Pläne der Behörde, die Förderung der 45 sogenannten ZuverdienstlerInnen, die hier Rente oder Arbeitslosenunterstützung aufbessern können, zu kürzen, nennt Geschäftsführer Senner kurzsichtig: Nicht nur, daß dieses Modell die Klinikaufenthalte verkürze. Die Förderung würde sich durch eingesparte Sozialleistungen und das Steuer- und Sozialversicherungsaufkommen refinanzieren.
„Wir haben nicht vor, diese Zuverdienstmöglichkeiten zu gefährden“, weist der Leiter der Hauptfürsorgestelle der BAGS Hans-Günther Ritz die Vorwürfe zurück. Laut Gesetz könnten nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gefördert werden, nicht die 45 Zuverdienstler. Diese befänden sich an einer Nahtstelle im Sozialsystem, wo sich die Frage stellt, wer eigentlich für die Kosten aufkommen müsse. Bisher habe man diese Zuverdienstkonzepte als gerechtfertigte Ausnahmeförderung betrachtet, angesichts der knappen Kassen geriete die Behörde aber zunehmend unter Druck. Deshalb müsse man sich „effizientere“ Möglichkeiten überlegen. Die will die Behörde erst heute preisgeben.
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