: Nach dem Verbot Tiermehl exportiert
■ Britische Betriebe haben nach dem Fütterungsverbot für Tiermehl doppelt soviel exportiert. Französische Wissenschaftler sind dem Zusammenhang von BSE und Creutzfeldt-Jakob auf der Spur
London/Paris (dpa/rtr/AFP) – Großbritannien hat möglicherweise BSE-verseuchtes Tiermehl in größeren Mengen exportiert, nachdem es im eigenen Land nicht mehr an Rinder verfüttert werden durfte. Das hat das britische Wissenschaftsmagazin Nature in seiner neuesten Ausgabe geschrieben. Gleichzeitig berichteten französische Forscher, daß sie im Tierversuch den Verdacht erhärten konnten, daß zwischen dem Rinderwahnsinn (BSE) und dem Creutzfeldt-Jakob-Syndrom beim Menschen eine Verbindung besteht.
Nach Recherchen von Nature verdoppelten sich die Ausfuhren an Tierfutter im Jahr 1989 nach dem 1988 in Großbritannien in Kraft getretenen Verbot, Wiederkäuer mit Tiermehl aus Schafsabfällen oder Rinderkadavern zu füttern. Das Tiermehl soll besonders billig gewesen und vorwiegend an Geflügel und Schweine verfüttert worden sein. Zu den Hauptabnehmern gehörte Frankreich.
Udo Weimer vom Bonner Landwirtschaftsministerium klagte: „Sie wußten damals, daß Fleisch und Knochenmehl gefährlich waren. Dennoch exportierten sie es und verbreiteten damit die Gefahr für die Ausbreitung von BSE in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft.“ Auch ein Vertreter der britischen Veterinärvereinigung habe seine Regierung schon damals gewarnt, daß der Export eines als gefährlich erkannten Stoffes unmoralisch sei, heißt es in dem Magazin. „Man hat mich aber deutlich zurechtgewiesen. Mir wurde klargemacht, daß es Sache der importierenden Länder sei, für alle benötigten Garantien zu sorgen“, sagte der Veterinär.
Französische Forscher berichteten in Paris von Experimenten mit Affen, denen sie BSE-Erreger gespritzt hatten. Die Tiere hätten danach Schädigungen im Gehirn gezeigt, wie sie bei einer vermutlich neuen Variante des Creutzfeldt- Jakob-Syndroms beim Menschen beobachtet worden seien. „Dies ist das erste – sehr starke – Argument aufgrund eines Experiments für eine Verbindung, aber nicht der Beweis“, teilten Corinne Lasmezas und Jean Philippe von der neurologischen Arbeitsgruppe des Gesundheitsdienstes der Streitkräfte in Fontenay-aux-Roses bei Paris mit. Experten vermuten, daß die neue Variante des Creutzfeldt-Jakob-Syndroms durch infiziertes Rindfleisch ausgelöst worden sein könnte.
Die britische Regierung hatte am Mittwoch der EU einen neuen Stufenplan zur Aufhebung des Exportverbots für britisches Rindfleisch vorgelegt. Der Plan sehe acht oder neun Stufen vor, hieß es in Brüssel. Unter anderem soll das Exportverbot gelockert werden, wenn es zumindest für schottische Rinder über einen lückenlosen Herkunftsnachweis verfüge. Auch für bislang BSE-freie Herden könnte das Exportverbot gelockert werden, meint die britische Regierung. Die Mitglieder des EU-Veterinärausschusses verlangen nach Aussagen des portugiesischen Ausschußmitglieds Jaquelino Telo von Großbritannien, in sein Schlachtprogramm auch die 1988, 1989 und 1990 geborenen Tiere aufzunehmen. Dies würde nach Telos Angaben bedeuten, daß rund 100.000 Rinder mehr als die 80.000 von Großbritannien bislang geplanten Tiere getötet werden müßten. Der britische „selektive Schlachtplan“ hatte zunächst nur die Tötung von 42.000 Rindern vorgesehen.
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