piwik no script img

Bewegung in Indien

■ Neue Mitte-Links-Regierung signalisiert flexiblere Außenpolitik

Delhi (taz) – Dringende außenpolitische Geschäfte erwarten Indiens Premierminister Deve Gowda, der am Mittwoch die Vertrauensabstimmung im indischen Parlament gewann, womit Indien nach einem Interregnum von zwei Monaten wieder eine handlungsfähige Regierung erhält. Handlungsbedarf zeigt sich vor allem auf dem Feld der Atompolitik: Das Abkommen über ein umfassendes Verbot von Atomversuchen muß in Genf noch vor Monatsende verabschiedet werden. Indien ist das einzige nukleare Schwellenland, das ein solches Verbot an eine Verpflichtung der fünf Atommächte knüpfen will, innerhalb eines verbindlichen Zeitrahmens ihre Atomwaffenarsenale auszumustern. Der Grund dafür ist Indiens Meinung, bei dem Atomteststopp ginge es den fünf Nuklearmächten lediglich um die Bewahrung ihres Atomwaffenmonopols, wobei vor allem China keinen Hehl daraus macht, daß es die nukleare Karte weiterhin als außenpolitisches Instrument einzusetzen gedenkt.

In der Parlamentsdebatte zeigte sich, daß die skizzierte Haltung quer durch das politische Spektrum hinweg Unterstützung findet. Gowda und sein Außenminister Inder Kumar Gujral versicherten dem Parlament, daß die Regierung dem Rechnung tragen würde. Gleichzeitig ließen sie aber einen Türspalt für einen Kompromiß offen. Es ist kein Geheimnis, daß vor allem die USA starken Druck ausüben, und Indien ist vom Wohlwollen der USA besonders bei Weltbank und IWF abhängig. Zudem hofft es immer noch auf einen Sitz im Sicherheitsrat, den es mit Sicherheit abschreiben könnte, wenn es in Genf bei seiner harten Haltung bleibt.

Auch das Verhältnis mit Pakistan kommt in Bewegung. Premierministerin Benazir Bhutto hat ihrem Kollegen ein überaus freundliches Glückwunschtelegramm gesandt. Es signalisiert Pakistans Bereitschaft, die bilateralen Kontakte wieder aufzunehmen. Sie sind seit zweieinhalb Jahren blockiert, weil Islamabad auf einer prioritären Behandlung des Kaschmirkonflikts insistiert. Frau Bhuttos Botschaft wird in Delhi als Entgegenkommen interpretiert, und Deve Gowdas Antwort drückt auch die Bereitschaft zu einem neuen Anlauf an.

Daneben muß sich die neue Regierung aber auch in die Niederungen der Korruption begeben. Es geht um den ehemaligen Premierminister Narasimha Rao. Im einen Fall geht es um Stimmenkauf: Im Juli 1993, als das Überleben seiner Regierung auf Messers Schneide stand, soll Rao drei Abgeordneten 32 Millionen Rupien ausbezahlt haben. Die Bundespolizei ihrerseits untersucht einen Betrugsverdacht gegen Verwandte Raos. Eine türkische Firma erhielt den Auftrag zur Lieferung von 200.000 Tonnen Düngemittel; in Abweichung aller normalen Geschäftspraktiken wurde die völlig unbekannte Firma im voraus ausbezahlt, und hohe Kommissionen gingen an die Vermittler, angeblich den Sohn und einen Verwandten Raos. Bernard Imhasly

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen