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Unangenehme Wahrheiten

■ betr.: „Die Bösen und die ganz normalen Guten“, taz vom 7.8. 96

Y. Michal Bodemanns wichtige Rezension von Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ beeindruckt deswegen, weil er Goldhagens Rolle als Amerikaner und nicht als Jude deutet und weil er die gesellschaftliche Projektion als eine der Ursachen für die Resonanz sieht, die er in den USA erlebt.

Jeder Amerikaner oder Amerikanerin, der/die – wie ich – lange in Deutschland gelebt hat, hat gelernt, die Rassismusproblematik hierzulande etwas differenzierter zu betrachten, und daß in puncto Rassismus „die Amerikaner“ kaum einem anderen „Volk“ nachstehen.

Bodemanns Einsicht in den real existierenden, mit philosemitischen Elementen vermengten deutschen Antisemitismus fiel auch positiv auf und deutet darauf hin, daß Goldhagens Thesen die wahre Gefahr des Antisemitismus bzw. Rassismus in diesem Land nicht ignoriert, sondern vielleicht anstachelt.

Die „Pornographie des Horrors“ allerdings, die Bodemann in Goldhagens Werk sieht, ist keineswegs nur Ausdruck von „in amerikanischen Debatten gängigen Ethik- und Kommunitarismus- Diskursen“, die darüber hinaus dazu dienen, den Blick von unangenehmen Wahrheiten im eigenen Lande zu lenken. Elemente davon gibt's hier auch – gerade in bezug auf die Genozidproblematik. Ethnischbezogene Kategorien, gekoppelt mit furchtbaren, aber oft leider empirisch unausreichend untermauerten Beschreibungen von Brutalität werden hier auch benutzt, um eine Politik der aggressiven Auslandseinmischung salonfähig zu machen, ohne dabei die Gefahr von Militarismus und der sogenannten „Logik des Krieges“ schlechthin in Betracht zu ziehen. Jerry Hodges, Ahrensburg

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