: Rote Zahlen unter Tage
■ Europas und Nordamerikas Kumpel fördern immer weniger Steinkohle
Genf/Essen (dpa/AP) – Nicht nur in Deutschland sind die Aussichten für die Kohleförderung schwarz. Einen drastischen Rückgang der Kohleproduktion in Europa und Nordamerika hat gestern die UN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE) vorhergesagt. Für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion prognostiziert die ECE bis zum Jahr 2010 zwar eine Zunahme des Verbrauchs in Folge einer wirtschaftlichen Erholung. In Westeuropa werde der Rückgang indes wegen verstärkten Energiesparens und verschärfter Umweltkontrollen weitergehen.
1995 fiel die Kohleförderung in Ost- und Westeuropa laut ECE um 30 Megatonnen (Mt) oder knapp fünf Prozent auf 535 Mt zurück. Dies entspreche 19 Prozent der Weltproduktion, verglichen mit 25 Prozent im Jahr 1990. Westeuropa fördere Kohle zu Preisen, die dreimal so hoch seien wie auf dem Weltmarkt.
In Deutschland wird die Förderung am Ende diesen Jahres im Vergleich zu 1995 um fünf Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE) gesunken sein, meldete der Gesamtverband des Deutschen Steinkohlebergbaus am Mittwoch. Damit werden nur noch 49 Millionen Tonnen aus der Erde geholt. Die Zahl der Bergbaubeschäftigten soll in diesem Jahr noch einmal um 7.900 auf 91.200 zurückgehen. Das sind fast 50.000 Kumpel weniger als 1990.
Die zur Entscheidung anstehende mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis zum Jahr 2000 enthalte Zahlen, „die schlimme Einschnitte in ganz kurzer Zeit für den Bergbau befürchten lassen“, sagte der Präsident des Bergbauverbandes, Adolf Spies von Büllesheim. Der Bundeskanzler wolle die Kohleproblematik bis zum 14. November entschieden haben, so sein Informationsstand.
In der Russischen Föderation sollten in den nächsten fünf bis sieben Jahren 140 Untertage-Kohlengruben geschlossen werden, meldete die ECE. Die staatliche Unterstützung sei dort bereits von 77 Prozent der Produktionskosten im Jahre 1993 auf 23 Prozent gefallen. In Polen werde die Entlassung von 80.000 Beschäftigten binnen fünf Jahren geplant.
Wesentlichen Einfluß auf die Zukunft der Kohle werde deren Verstromung – und damit auch der Gaspreis – haben, erklärte die ECE-Kommission. Etwa 85 Prozent der Steinkohle und praktisch die gesamte Braunkohle Europas würden in der Wärme- und Elektrizitätsproduktion verbrannt. In der ECE-Region stammten 40 Prozent der Elektrizität aus der Kohle, weltweit seien es sogar 45 Prozent. Damit sei die Kohle nach dem Erdöl die wichtigste Primärenergie der Welt. Bis zum Jahr 2000 werde sich der asiatisch-pazifische Raum zum größten Wachstumsmarkt der Kohle entwickeln, so die ECE. Australien bleibe größter Kohleexporteur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen