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Grüne kritisieren AWO-Monopol

■ In Steglitz sind 60 Prozent der Heimplätze für Flüchtlinge in AWO-Hand. AWO-Chef ist früherer Beamter des Sozialamts

Die Steglitzer Bündnisgrünen werfen Sozialstadtrat Johannes Rudolf (CDU) vor, Heimplätze bevorzugt der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zuzuschanzen. Die AWO und ihre Tochterfirmen hätten in den letzten Jahren bei Heimplätzen für Flüchtlinge einen Marktanteil von 60 Prozent erobert, erklärte Boris Buchholz, langjähriger Bezirksverordneter der Bündnisgrünen. Von den 1.900 Plätzen wären 1994 bereits 1.030 Plätze in der Regie von AWO-Tochtergesellschaften gewesen. Die AWO habe damit eine Monopolstellung. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Trägervielfalt, wonach verschiedene Wohlfahrtsverbände zu berücksichtigen seien.

Den Zuschlag für zwei neue Flüchtlingsheime erhielt 1993 die AWO-Tochter „Förderung sozialer Dienste“ (FSD). Geschäftsführer der FSD ist Reinhold Voht. Voht ist ein seit 1990 beurlaubter Beamter des Sozialamts Steglitz, der in Personalunion Vorsitzender des AWO-Landesverbandes sowie des Steglitzer AWO-Kreisverbands ist. Voht wies gestern zurück, daß er Kontakte aus seiner früheren Tätigkeit genutzt habe, um die Aufträge zu erhalten. Er bestätigte jedoch, daß der Anteil der AWO-Tochtergesellschaften bei Steglitzer Flüchtlingsheimplätzen 60 Prozent betrage.

Auch Sozialstadt Rudolf wies gestern alle Vorwürfe zurück. Er räumte ein, daß die AWO 1993 den Zuschlag für die Errichtung eines Containerdorfs ohne Ausschreibung bekommen hätte. Dazu sei er damals aber berechtigt gewesen, weil durch den großen Zustrom von Kriegsflüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien eine Notlage bestanden hätte. Den Zuschlag für die beiden neuen Heime hätte die FSD bekommen, weil sie das billigste und beste Konzept vorgelegt habe. Er wies auch Vorwürfe zurück, wonach er mit der FSD im Januar 1994 Vorabsprachen geführt habe, die der FSD einen Vorteil gegenüber anderen Bewerbern für die beiden Heime verschafft hätten. „Damals wurden mit mehreren potentiellen Bewerbern Sondierungsgespräche geführt“, sagte Rudolf. Die Rechtskonstruktion der FSD sei im übrigen nicht zu beanstanden.

Die FSD ist auch Träger der Clearingstelle für minderjährige, unbegleitete Jugendliche in Treptow. Eines der Heime war vor zwei Jahren in die Schlagzeilen geraten, nachdem sich Jugendliche über Taschengeldentzug und Mißhandlungen beklagt hatten. Der Heimleiter wurde daraufhin gefeuert. Der Flüchtlingsrat und die Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus beanstanden nach wie vor die Zustände in diesem Heim. Die FSD beschäftige billige, unterqualifizierte Arbeitskräfte. Das Heim sei lediglich eine „Verwahranstalt“. Dorothee Winden

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