piwik no script img

Müll als Brennstoff

■ Eine Million Tonnen Sonderabfall sind aus der Statistik verschwunden

Hamburg (dpa) – Über eine Million Tonnen brennbarer Sonderabfälle sind seit 1993 aus der Entsorgung verschwunden und am Rande der Illegalität als Ersatzbrennstoffe in die Industrie zurückgelangt. „Das ist ein klarer ökologischer Rückschritt“, kommentierte Reinhard Schultz, SPD- Bundestagsabgeordneter und Geschäftsführer der Deutschen Projekt Union (DPU, Essen) gestern in Hamburg. Grundlage seiner Ausführungen ist eine Studie zur Situation der Sonderabfallentsorgung.

So würden in großem Umfang besonders überwachungsbedürftige Abfälle mit Kohle vermengt und als Industriekohle legal verkauft. Auch die Vermischung mit Sägespänen oder Kieselgur sei keine Seltenheit. Die Ersatzbrennstoffherstellung erfolge vorwiegend in Altanlagen mit Mischtrommeln in der Freiluft oder in einfachen Mischgruben mit Baggern. Dabei würden leichtflüchtige Bestandteile der Sonderabfälle – zum Beispiel krebserregendes Benzol – in erheblichen Mengen freigesetzt. „Die statistische Halbierung der Sonderabfälle ist Augenwischerei. In Wirklichkeit werden sie nur umdeklariert und anders verteilt“, ist Schultz überzeugt.

Die mit hohen Investitionen modernisierten Abfallverwertungsgesellschaften – allein in Hamburg wurden dafür rund 360 Millionen Mark aufgewandt – stehen durch dieses Öko-Dumping vor dem finanziellen Ruin, beklagte Hans-Albert Dirrigl, Geschäftsführer der Abfall-Verwertungs-Gesellschaft Hamburg. Der Grund: Für die Verwertung von einer Tonne Sonderabfall können von diesen Entsorgern nur 630 Mark pro Tonne Müll in Rechnung gestellt werden. Das ist weitaus weniger als der Selbstkostenpreis.

Wer dagegen Sondermüll zu Ersatzbrennstoff verarbeite, bekomme zweifach Geld: Einmal werde die Produktion steuerlich gefördert, zum anderen verdiene das Unternehmen durch den Verkauf des Brennstoffs, so Dirrigl.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen