■ Querspalte: Reihen bilden beim Sparpaket
Der Begriff Sparpaket wurde zum Wort des Jahres 1996 gekürt – von der Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden. Auf Platz zwei und drei kamen die Wörter Haushaltslöcher und Lohnfortzahlung. Was waren es noch für Zeiten, als die Wörter des Jahres Optimismus ausstrahlten: 1994 das Superwahljahr, 1995 Multimedia. Multimedia aber kann sich heute kaum noch jemand leisten.
Sparpaket wurde aber nicht zum Wort des Jahres, weil wir alle den Gürtel enger schnallen müssen, sondern weil es reihenbildend ist. Das bedeutet, daß aus den Teilen eines zusammengesetzten Hauptwortes neue Begriffe gebildet werden können. Aus Spar-Paket wird so Sparaktionismus oder Sparzwang und Angebotspaket oder Wachstumspaket. Weniger negative Menschen haben vielleicht schon positive Reihen gebildet: Care-Paket – Inbegriff der internationalen Solidarität mit Deutschland, als es uns noch viel schlechter ging. Das Ost-Paket – wie viele von ihnen von West- nach Ost-Deutschland geschickt wurden, weiß wohl nur die Stasi. Oder die modernen West-Pakete, die werbemäßig aus den fünf neuen Ländern geschickt werden, um den Absatz der Ostprodukte zu steigern.
Was kann alles aus dem ersten Teil des Wortes Sparpaket gemacht werden? Sparprämie, Sparschwein oder Sparbuch. All diese Worte jedoch – sieht man einmal von Spargel ab – erinnern unweigerlich an das Waigelsche Sparpaket, denn in das werden ja die mühsam ersparten Gelder hineingeschnürt. Damit wird das Wort des Jahres doch wieder negativ. Wir alle müssen den Gürtel enger schnallen. Würden wir auf dieses Bild den rein sprachwissenschaftlichen Terminus Reihenbildung übertragen, könnten wir folgern: Wir müssen den Gürtel nicht engerschnallen, sondern uns überlegen, selbigen abzunehmen, um uns an ihm aufzuhängen. Ein kollektiver Suizid mag manchem volkswirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Aber dann bliebe die Frage unbeantwortet: Wenn Sparpaket schon das Wort des Jahres ist, wie lautet dann erst das Unwort des Jahres 1996? Björn Blaschke
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