: Niger verfolgt Opposition
■ Das Putschregime des Sahel-Staates verhaftet die wichtigsten Parteiführer
Berlin (taz) – Im afrikanischen Sahel-Staat Niger wird es immer gefährlicher, gegen die Regierung zu agitieren. Die Staatsführung unter Präsident Ibrahim Baré Mainassara hat, wie jetzt bekannt wurde, am Dienstag die drei wichtigsten Oppositionspolitiker des Landes verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt. Ex- Präsident Mahamane Ousmane, Ex-Parlamentspräsident Mahamadou Issoufou und der Führer der einstigen Staatspartei MNSD, Mamadou Tandja, sollen vor einen Sondergerichtshof zur Verfolgung von staatsfeindlichen Aktivitäten kommen. Damit hat das Regime von Präsident Baré seine wichtigsten Gegner ausgeschaltet. Niger, Anfang der 90er Jahre ein Vorreiter der Demokratisierung in Westafrika, kehrt zurück zur Diktatur.
Baré kam im Januar 1996 per Militärputsch an die Macht. Mit dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Ousmane ging die erst wenige Jahre zuvor eingeführte Demokratie in Niger gewaltsam zu Ende. Wenige Monate nach seinem Putsch verkündete Baré die Rückkehr zur zivilen Herrschaft – unter ihm selbst. Die drei jetzt verhafteten Politiker waren die drei Gegenkandidaten Barés bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom Juni 1996, die der Putschist nach einer weithin als manipuliert gewerteten Auszählung mit 52 Prozent gewann. Die Oppositionsparteien boykottierten daraufhin am 23. November die Parlamentswahlen, bei denen die Wahlbeteiligung nach unabhängigen Schätzungen bei unter fünf Prozent lag.
Seitdem häufen sich in Niger Protestaktionen gegen das Militärregime. Über Weihnachten 1996 besetzte eine Gruppe von nigrischen Studenten sogar drei Tage lang die Botschaft Nigers in Algier. Die in einer „Front zur Wiederherstellung und Verteidigung der Demokratie“ (FRDD) zusammengeschlossenen Oppositionsparteien unter Führung von Ex-Präsident Ousmane begannen vor einer Woche eine Kampagne von Massenprotesten. Ein geplanter Demonstrationszug am vergangenen Samstag in der Hauptstadt Niamey, auf dem die Opposition Zugang zu den Staatsmedien einfordern wollte, wurde von der Regierung als „Orchestrierung von Unsicherheit“ verboten; dennoch versammelten sich mehrere tausend Menschen. Die Polizei setzte Tränengas und nach Angaben der Opposition auch scharfe Munition gegen die Demonstranten ein; 58 Menschen wurden festgenommen. Um die Lage unter Kontrolle zu bringen, umstellte die Polizei die Häuser der FRDD-Führer Ousmane, Issoufou und Tandja und stellte sie unter einen dreitägigen Hausarrest. Nach Ablauf der drei Tage wurden sie verhaftet. Premierminister Amadou Cissé, der erst seit Dezember im Amt ist, beschuldigte die verhafteten Politiker, sie hegten einen „Plan zur Destabilisierung des Landes“ und wollten „Niger zurück ins Chaos stürzen“.
Das Sondergericht, vor das die Politiker gestellt werden sollen, ist seit 1974 in der Verfassung von Niger vorgesehen, hat aber nur selten getagt – zum Beispiel bei der Verfolgung von Aufständischen vom Volk der Tuareg. Den verhafteten Politikern wird „Gefährdung der Staatssicherheit und Umsturz des Regimes“ vorgeworfen, sagte Justizminister Boubé Oumarou am Mittwoch. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP könnten andere Anklagepunkte auf „bewaffnete Zusammenrottung“ und „Aufforderung an die Bevölkerung, sich gegen den Staat zu bewaffnen“ lauten. D.J.
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