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In Asien wird Europa zum Zwerg

Das Treffen der Außenminister von EU und Asean in Singapur verdeutlicht, wie wenig Gewicht europäische Rezessionsexperten im Kontinent der Tigerstaaten heute noch haben  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Weil sie sich nicht über Ost-Timor einigen können, werden die Außenminister der EU und ihre Amtskollegen von der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean) auch bei ihrem gestern begonnenen zwölften Treffen kein neues Kooperationsabkommen unterzeichnen. „Das bedauern wir tief“, sagte gestern der indonesische Außenminister Ali Alatas zum Auftakt der zweitägigen Konferenz in Singapur. Trotzdem wollen die Teilnehmer am heutigen Freitag eine gemeinsame Erklärung verabschieden, in der sie neue Handelsinitiativen, Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Verbrechen und mehr Kulturaustausch ankündigen.

Die offiziellen Beziehungen zwischen Europa und Südostasien sind geprägt vom Kampf um die Spielregeln. Die Asean will prinzipiell nicht über Menschenrechte oder andere „innere Angelegenheiten“ der Teilnehmerstaaten sprechen. Die Südostasiaten haben sich zwar zähneknirschend darauf verständigt, stillzuhalten, wenn Europäer die Militärjunta in Birma verurteilen. Doch von Wirtschaftssanktionen wollen sie nichts hören. Und sie wollen Birma bald in die Asean aufnehmen. Im Falle Ost-Timor hat sich die ehemalige Kolonialmacht Portugal zum Fürsprecher der Bevölkerung des 1975 von Indonesien annektierten Gebietes gemacht und verlangt, Ost- Timor in einem neuen EU-Asean- Kooperationsabkommen – das alte ist abgelaufen – ausdrücklich zu erwähnen. Doch die indonesischen Teilnehmer haben angekündigt, sie würden sofort wieder nach Hause fahren, sollte die EU über Ost-Timor sprechen.

Indonesien steht da nicht allein. „Wir sollten uns darauf konzentrieren, was uns verbindet, und nicht auf Dinge, die uns trennen“, erklärte der Außenminister von Singapur, Shanmugam Jayakumar, Anfang der Woche. Vor allem die Regierungen in Singapur, Malaysia und Indonesien reagieren immer schärfer auf vermeintliche westliche Belehrungen: Geradezu genüßlich weisen sie darauf hin, daß sich europäische und US- amerikanische Firmen stark im birmesischen Öl- und Gasgeschäft engagieren, während Brüssel und Washington die Unterdrückung in Birma verurteilten. Der eloquente Tommy Koh, lange Zeit Außenminister Singapurs, spricht von einer „Doppelmoral“ Europas und nennt Birma und Algerien: „In beiden Fällen haben wir ein militärisches Regime, das den demokratischen Prozeß abgebrochen hat“, sagte er der Hongkonger Asiaweek: Die Europäer verurteilen die Junta in Rangun, unterstützen jedoch die algerischen Generäle.

Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Stärke Asiens müsse Europa akzeptieren, daß sich auch das politische Verhältnis gewandelt habe, heißt es in einem Vorbereitungspapier europäischer und asiatischer Persönlichkeiten zum Singapur-Treffen: Jetzt träfen nicht mehr nur arme Länder auf reiche Geldgeber, sondern gleichwertige Partner. Der Handel zwischen den Asean-Staaten und der EU hat sich seit 1989 zwar verdoppelt, doch ist sein Gesamtwert immer noch um einiges niedriger (1995: 99,5 Milliarden US-Dollar) als zwischen Südostasien und den USA (110 Milliarden) oder Japan (134 Milliarden). Auch bei den Investitionen liegt die EU zurück. Thailand und Indonesien werfen den Europäern vor, sie versperrten ihre Märkte mit verkappten protektionistischen Bestimmungen: Thailand kann zum Beispiel wegen strenger Umwelt- und Hygienevorschriften seine Garnelen immer schwerer verkaufen. Auf der anderen Seite beschuldigten jüngst europäische Firmen wie der Elektronikriese Philips ihre asiatischen Konkurrenten, sie lieferten ihre Produkte unter Herstellungskosten nach Europa.

Die Außenminister werden am Samstag nicht etwa nach Hause fahren, sondern weiterkonferieren. Dann stoßen noch Vertreter Chinas, Süd-Koreas und Japans zum sogenannten „Asien-Europa- Treffen“ (Asem) dazu. Dabei soll eine „Asien-Europa-Stiftung“ zur Politikberatung gegründet werden. Der Leiter wird der bereits erwähnte Singapurer Tommy Koh.

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