: Rechtsextremismus wie gehabt
■ Verfassungsschutz legt aktualisierte Broschüre zum Rechtsextremismus vor. Geschwächte Organisationen, neue Themen und konstante Ressentiments
Keine Gefahr, aber auch keine Entwarnung. So heißt das Fazit von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) zur Entwicklung des Rechtsextremismus in der Stadt. Gestern präsentierte der Innensenator die aktualisierte Broschüre des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) unter dem Titel „Rechtsextremistische Bestrebungen in Berlin“.
Die Dokumentation schreibt fort, was die Sicherheitsbehörden schon seit etwa drei Jahren verkünden: Die Parteien- und Organisationsverbote hätten die Szene dezimiert, rechtsextremistische Straftaten würden seltener, aber die neonazistische Szene entwickle ihre informelle Vernetzung mit Hilfe neuer Kommunikationstechnologien fort.
In Zahlen heißt das in Kürze: 2.305 Personen umfasse das rechtsextreme Potential, fünf Prozent weniger als im Vorjahr. 1.500 davon seien in Parteien wie den Republikanern oder der Deutschen Volksunion organisiert, der Rest gehöre zur Neonazi-Szene, so LfV- Chef Eduard Vermander gestern. Unverändert sei die Zahl von 530 gewaltbereiten Skinheads in der Stadt.
Veränderungen dagegen stellt das LfV zum einen bei der Auswahl der Themen fest, mit der die rechtsextreme Szene ihre öffentlichen Auftritte organisiere. So heißt es: „Hinzu kam ein neuer Agitationsschwerpunkt: Kampf gegen ,staatliche Repression‘ und Sozialabbau.“ Eine weitere Tendenz: Die Jugendorganisation der NPD, die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), habe „1996 bemerkenswerte Aktivität entfaltet“. Eine aktuelle Entwicklung, die sich am Samstag dieser Woche bei der angekündigten JN-Veranstaltung zum Thema „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ auch zeigt. Die JN in Berlin sei auch, so ist in der Broschüre nachzulesen, „zum bundesweit wichtigsten Bindeglied zwischen Parteien und dem Neonazi-Spektrum geworden“.
Die zweite Aktivitätsform der Neonazis sind die „Unabhängigen Kameradschaften“, die sich außer der „Kameradschaft Beusselkiez“ in Moabit ausschließlich im Ostteil Berlins gebildet hätten. Die Bildung der Kameradschaften führen die LfV-Mitarbeiter auf die tief verankerte Überzeugung der Neonazis zurück. So heißt es in der Broschüre wörtlich: „Für sie galt und gilt Goebbels Wort ,Trotz Verbot nicht tot‘.“ Neben den Kameradschaften spiele nach wie vor die „Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V.“ eine wichtige Rolle bei der Vernetzung zwischen „jungen Kadern“ und „alten Marschierern“. Und schließlich warnt das LfV vor den Jugendlichen, die sich jederzeit für rassistische und nationalistische Töne begeistern könnten. Barbara Junge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen