: Pflicht zur Aufenthaltsgenehmigung entschärft
■ In Deutschland aufgewachsene Kinder sollen Aufenthaltsgenehmigung von Amts wegen erhalten. Visumpflicht soll bleiben. Heute entscheidet der Bundesrat
Bonn (taz) – Alle Zeichen deuteten gestern darauf hin, daß Bundesinnenminister Kanther mit seiner Verordnung über die Visum- und Aufenthaltsgenehmigungspflicht für Kinder und Jugendliche aus den ehemaligen Anwerbestaaten eine Schlappe erleiden würde. Bei Redaktionsschluß war abzusehen, daß der Bundestag einem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zustimmen würde, in dem die Aufenthaltsgenehmigungspflicht für in Deutschland aufgewachsene Kinder von Amts wegen erteilt werden soll. Damit wäre Kanthers Eilverordnung vom Januar entschärft.
Heute hat der Bundesrat darüber zu entscheiden. Die Innenminister der SPD-geführten Länder wollen die Verordnung mittragen. Die Bündnisgrünen sind somit mit dem Versuch gescheitert, sowohl die Visum- als auch die Aufenthaltsgenehmigungspflicht zu kippen. Hilfsweise hatten sie gestern im Bundestag beantragt, wenigstens den Verzicht auf die Aufenthaltsgenehmigung zu erreichen. Das hatte ursprünglich auch eine Gruppe von jungen CDU-Abgeordneten um den Abgeordneten Peter Altmaier gefordert und damit innerparteilich für erheblichen Wirbel gesorgt. Auch sie stimmten gegen den Antrag der Grünen.
Einige von ihnen hoffen aber insgeheim, daß der Bundesrat heute den Entschließungsantrag ablehnt. Dann würde der Zustand vor der Kanther-Verordnung gelten. Es müßte neu verhandelt werden. Für den einwanderungspolitischen Sprecher der Bündnisgrünen, Cem Özdemir, steht Kanther nun „mit abgesägten Hosen“ da. Der jetzige Verordnungsentwurf habe mit dem ursprünglichen nur noch wenig gemein. Es komme einer schallenden Ohrfeige gleich, daß der Innenminister in dem Entschließungsantrag nicht positiv erwähnt werde. Aus Unionskreisen hieß es, Kanther habe „geschäumt“. Nur mit großer Mühe habe der Innenminister die Formulierung im Entschließungsantrag verhindern können, daß die Aufenthaltsgenehmigungspflicht bei den Betroffenen Verunsicherung erzeugen könne. Dies wäre einer unverhohlenen Kritik an Kanther gleichgekommen. Kanther mußte dafür ein Zugeständnis machen. Im letzten Satz des Antrages heißt es nun: „Die Koalition hält weiterhin an ihrem Ziel der Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts noch in dieser Legislaturperiode fest.“ Damit ist die automatische Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern gemeint. Kanther lehnt dies vehement ab. Die jungen CDUler haben damit aber nur Schadensbegrenzung erreicht. Schließlich hatte der Bundesvorstand im vergangenen Jahr beschlossen, sich noch im ersten Quartal des Jahres 1997 mit der Angelegenheit zu befassen. Dazu wird es aber nicht mehr kommen. Markus Franz
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