: Knasterfahrung im Neubau unerwünscht
■ In der Jugenduntersuchungshaftanstalt Kieferngrund sind von den 80 Plätzen bislang nur neun belegt
Die kürzlich von Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) feierlich eingeweihte Jugenduntersuchungshaftanstalt Kieferngrund steht knapp drei Wochen nach ihrer Eröffnung noch fast leer. Von den 80 Haftplätzen sind bisher nur neun mit jugendlichen Straftätern belegt. Die Justizsenatorin hatte zur Eröffnung betont, daß die Justiz durch die neue Anstalt die Möglichkeit erhalte, die durch die gestiegene Jugendkriminalität gerade im Bereich der Untersuchungshaft zugespitzte Belegsituation zu entspannen.
Der Deutsche Beamtenbund forderte gestern die Justizsenatorin in einem Schreiben auf, „angesichts der Überbelegung aller Berliner Justizvollzugsanstalten, schnellstmöglich für eine Belegung der neuen Anstalt zu sorgen“.
Pressesprecherin Corinna Bischoff begründete gestern die schleppende Belegung mit pädagogischen Gründen. Um dem „pädagogischen Konzept gerecht zu werden“, bemühe man sich nur um Neuzugänge. Jugendliche Straftäter, die aus anderen Anstalten kämen, würden „erhebliche Knasterfahrung“ mitbringen. Außerdem gäbe es „organisatorische Schwierigkeiten“, die es bei jedem Neubezug gäbe. Auch sei nicht ausreichend Personal vorhanden. Genaue Angaben zur Personalsituation konnte die Pressestelle aber nicht machen.
Die Anstalt in Kieferngrund ist die erste Jugenduntersuchungshaftanstalt der Bundesrepublik Deutschland. Ein breites Angebot berufsorientierter und sozialer Betreuung soll sicherstellen, daß jugendliche Straftäter die Zeit im Gefängnis sinnvoll nutzen können. Berufsfindungslehrgänge mit dem Ziel beruflicher Qualifizierung und der Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten soll den Jugendlichen Alternativen bieten. Kieferngrund ist außerdem das erste Projekt des Landes Berlin, das im Rahmen eines Investorenmodells errichtet wurde.
Nach Einschätzung der Justizpressestelle gibt es derzeit keinen zwingenden Grund, die neue Anstalt auf einen Schlag zu füllen. Die Überbelegung der Jugendstrafanstalt in Plötzensee sei in den letzten Monaten zurückgegangen. Im Januar habe es noch 38 Doppelbelegungen gegeben. „Das ist jetzt runtergegangen“, betonte gestern Pressesprecherin Corinna Bischoff. Barbara Bollwahn
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