piwik no script img

Bonner Politiker sehen „kritischen Dialog“ beendet

■ Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen steht offenbar nicht zur Debatte. Witwe eines der Opfer sieht „Sieg für alle demokratisch gesinnten Menschen“

Als Reaktion auf das Berliner „Mykonos“-Urteil haben sich die Bonner Parteien gestern für eine Beendigung des „kritischen Dialogs“ mit Teheran ausgeprochen. Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Iran wurde aber abgelehnt.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, wertete die Urteilsbegründung des Berliner Kammergerichts als „Beleg für den Staatsterrorismus des iranischen Regimes, der von der internationalen Gemeinschaft nicht hingenommen werden kann“. Die Bundesregierung müsse sich nicht nur für eine internationale Verurteilung einsetzen, sondern auch den iranischen Botschafter in Bonn einbestellen und den deutschen Botschafter in Teheran zurückrufen. Alle europäischen Staaten müßten den „kritischen Dialog“ suspendieren.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und einer der Iran-Berichterstatter seiner Fraktion, verlangte die Ausweisung von Botschaftspersonal und das Einfrieren von Kreditbürgschaften. „Wir müssen dem Iran unmißverständlich klarmachen, daß Europa iranische Killerkommandos nicht tatenlos hinnimmt.“ Neben der Reduzierung der Diplomaten beider Seiten sei es erforderlich, die bereits verminderten Hermes-Bürgschaften für Geschäfte mit Iran vollständig einzufrieren, „bis der Iran unter Beweis gestellt hat, daß er vom Staatsterrorismus abläßt“.

Der SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt verlangte eine Neudefinition der Beziehungen zwischen Europäischer Union und Iran. Dafür sollten alle EU-Staaten ihre Botschafter aus Teheran zurückrufen. Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen sei aber nicht sinnvoll, sagte Voigt: „Diplomatische Beziehungen haben wir zu Staaten, nicht zu Regimes.“

Grünen-Sprecher Jürgen Trittin erklärte, das Urteil sei eine „Ohrfeige“ für die Bonner Iran-Politik, die trotz massiver Kritik auf den „kritischen Dialog“ gesetzt habe. Er forderte Außenminister Kinkel auf, „endlich seine Rückendeckung für das Mullah-Regime“ zurückzuziehen und politische Konsequenzen folgen zu lassen. Jegliche Wirtschaftsmittel für den Iran müßten eingefroren werden.

Der PDS-Bundestagsabgeordnete Steffen Tippach äußerte Zweifel, ob das Urteil unabhängig gewesen sei. „Die jahrelange öffentliche politische Debatte in Deutschland über den ,Staatsterrorismus‘ des Iran förderte zumindest ein Klima der Vorverurteilung“, meint er.

Als eine „klare, harte Anwort auf den iranischen Staatsterrorismus“ hat dagegen die Witwe eines der „Mykonos“-Opfer den Schuldspruch bezeichnet. Schohreh Baddii sagte, dank der Benennung der iranischen Staatsspitze durch das Gericht würden sich die Exiliraner in Deutschland künftig sicherer fühlen. Sie sprach von einem „großen Sieg für die deutsche Justiz“, der in die Geschichte eingehen werde. „Dieser Sieg ist nicht nur ein Sieg für uns, sondern für alle demokratisch gesinnten Menschen in diesem Land.“ AP/AFP/dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen