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Nur wer gefährdet ist, verzichtet

■ Deutscher Handwerkschef zu Zwickel-Vorschlag der 32-Stunden-Woche: Lohneinbußen sind problematisch

Berlin (taz) – Handwerkspräsident Dieter Philipp hat das Angebot von IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, für Arbeitnehmer die 32-Stunden-Woche einzuführen, skeptisch beurteilt. Philipp sagte, der Vorschlag sei „interessant und verhandlungsfähig“ im Zusammenhang mit neuen Arbeitszeitmodellen. Jedoch bergen Arbeitszeitverkürzungen „immer die Gefahr von Lohnkostensteigerungen, da vielen unserer Arbeitnehmer Einkommenseinbußen nicht zugemutet werden können“.

Im Handwerk würde ein Rückgang von jetzt durchschnittlich 39 oder 40 Wochenstunden auf 32 Stunden einen Lohnverzicht von 25 Prozent bedeuten. Philipp schlug einen „Standortgipfel“ vor, zu dem die Wirtschaft die Gewerkschaften einladen solle. Die Arbeitgeber anderer Branchen hatten den Zwickel-Vorschlag zur 32-Stunden-Woche mit teilweisem Lohnausgleich abgelehnt.

Die Diskussion um die Vier-Tage-Woche hatte vor dreieinhalb Jahren begonnen, als der VW- Konzern die Arbeitszeit auf 28 Stunden verkürzte, um 30.000 Arbeitsplätze zu retten. Im Falle VW waren die Arbeitnehmer jedoch selbst vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedroht und nach dem VW-Haustarifvertrag relativ gut bezahlt. Die Einkommensminderungen waren daher zu verkraften.

Nach einer Studie des gewerkschaftsnahen WSI-Instituts zeigten sich fünf Sechstel der VW-Arbeiter zufrieden mit der Arbeitszeitverkürzung. Dabei spielten Einkommensfragen, die Bedrohung der Jobs, aber auch Familienstand und Geschlecht eine Rolle, resümierten die WSI-Forscher.

Auch in einigen anderen Metall-Betrieben wurden inzwischen schon vorübergehend die Arbeitszeiten verkürzt, um Jobs zu retten. So erlauben beispielsweise die regionalen Metall-Tarifverträge schon seit längerem Betriebsvereinbarungen, mit denen die Wochenarbeitszeit vorübergehend auf 30 Stunden abgesenkt werden kann, wenn das Unternehmen während dieser Zeit auf Entlassungen verzichtet.

Auch die Kita-ErzieherInnen im öffentlichen Dienst Ostdeutschlands mußten erhebliche Verkürzungen und Lohneinbußen hinnehmen, damit nicht Tausenden von ihnen gekündigt wurde. Die Lehrer in Sachsen-Anhalt und Brandenburg stimmten Tarifverträgen zu, durch die ihre Arbeitszeit und das Einkommen entsprechend gemindert werden, um Entlassungen zu vermeiden. Bei diesen Beispielen waren jedoch alle verkürzenden Beschäftigten selbst vom Jobverlust betroffen.

In Berlin dagegen scheiterte ein Versuch, wo verbeamtete Lehrer für ihre Kollegen mit Fristverträgen eine Arbeitsstunde und entsprechendes Einkommen opfern sollten. Nur ein Bruchteil der Angesprochenen entschloß sich zum solidarischen Verzicht.

Erfahrungen mit subventionierter Arbeitszeitverkürzung haben die Franzosen: Dort erhalten Betriebe, die ihre Arbeitszeit um bis zu 15 Prozent kürzen und dafür neue Leute einstellen oder Jobs sichern, im ersten Jahr bis zu 50 Prozent ihrer Sozialabgaben erlassen. Die Beschäftigten erhalten einen teilweisen Lohnausgleich. Über zweihundert Unternehmen wenden das Gesetz an.

Kritiker bemängeln jetzt nach sieben Monaten die hohen Mitnahmeeffekte. Viele Unternehmen nützten die Subventionierung gerade bei der Neueinstellung von hoch bezahlten Arbeitnehmern, empörte sich Arbeitsminister Jacques Barrot. Manche Betriebe verkürzen im Zuge interner Flexibilisierungen – und kassieren dabei gut ab. 24.000 Mark kostet den Staat jeder auf diese Weise geschaffene oder gesicherte Arbeitsplatz. Barbara Dribbusch

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