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Sparen für die Jahrtausendkatastrophe

■ Die Zahl der Naturkatastrophen hat sich seit den Sechzigern vervierfacht. Das errechnete die Münchener Rückversicherung in ihren „Alptraumkalkulationen“

Berlin (taz) – Weltweit nimmt die Zahl der Naturkatastrophen zu. Gleichzeitig wachsen die Städte, nimmt in Häusern und Fabriken die Konzentration von Werten zu. Im Vergleich der vergangenen zehn Jahre zu den Sechzigern habe sich die Zahl der großen Naturkatastrophen auf 64 Ereignisse vervierfacht, berichtet Helmut Stadlberger, Direktionsmitglied der Münchener Rückversicherung. Ein Alptraum für jeden Versicherer.

Doch Versicherer setzen ihre Alpträume in Kalkulationen um: Gleich zwei gewaltige Naturkatastrophen in einem Jahr, vielleicht das langerwartete Jahrhunderterdbeben in Los Angeles und eine verheerende Flut in Nordeuropa, rechnet die Münchener Rückversicherung ein, um für mögliche Schadensregulierung genug Geld auf dem Konto zu haben. Auf 30 Milliarden Mark für Sachschäden belaufen sich derzeit die Rücklagen der Münchener Rück, der weltgrößten Rückversicherung. Bei ihr versichern sich die Erstanbieter von Hausrat- oder Autoversicherern, um selbst vor zu großen Ansprüchen gefeit zu sein.

Während sich die Zahl der Naturkatastrophen vervierfachte, stieg der volkswirtschaftliche Schaden auf das Achtfache – 404 Milliarden US-Dollar zwischen 1987 und 1996. Weil immer mehr versichert wird, inzwischen auch Betriebsausfälle in Fabriken, stieg der versicherte Schaden sogar auf das 15fache – 99 Milliarden Dollar in zehn Jahren.

Jahrtausendereignisse waren zum Glück nicht dabei, denn allein nach einem schon lange befürchteten Riesenbeben in Los Angeles könnten 95 Milliarden Dollar Schaden für die Versicherer auflaufen, das ergeben die „Alptraumkalkulationen“, mit denen sich die Münchener Rück auf alle Eventualitäten vorbereiten will. „Wir kalkulieren mit zwei Ereignissen in einem Jahr – beide mit einer Wahrscheinlichkeit von je einmal in tausend Jahren“, sagt Stadlberger. „Selbst dafür haben wir noch Vorsorge getroffen.“ Die Münchener Rück alleine werde bei einem solchen Riesenbeben etwa für 1 bis 10 Milliarden Mark Schaden eintreten müssen.

Bei der Bebenkatastrophe im japanischen Kobe kamen die Versicherer weitgehend ungeschoren davon, denn in Japan sind Hausrat- Versicherungen eher unüblich. Die Industriegebäude werden in den erdbebengefährdeten Regionen von den Versicherern nur bis 15 Prozent des Schadens versichert. So mußten die Versicherer in Kobe gerade drei Milliarden Dollar auszahlen – nur drei Prozent des Gesamtschadens. Ein Großteil deckte der japanische Staat. Auf die Münchener Rück entfielen 50 Millionen Dollar.

Während Zahl und Schwere der Beben seit den Sechzigern eher konstant blieben, nahmen vor allem Hagelschäden, Überschwemmungen und Sturmschäden zu. „Wir glauben“, sagt Stadlberger, „daß das weitgehend auf die Klimaerwärmung zurückgeführt werden kann.“

Trotz der Zunahme an Schadensfällen gingen die Prämien in den vergangenen Jahren leicht zurück – dies liege daran, erklärt Vorstand Wolf-Otto Bauer, daß Größtschäden in den vergangenen Jahren ausgeblieben sind. Im Geschäftsjahr 1995/96 nahm die Münchener Rück 29 Milliarden Mark Beiträge ein. Matthias Urbach

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