„Strategie der verbrannten Erde“

Den Nachtragshaushalt für 1997 begreifen Sozialdemokraten und Grüne als finanzpolitische Kapitulation. Der Bund der Steuerzahler hält ihn darüber hinaus für verfassungswidrig  ■ Aus Bonn Markus Franz

SPD und Bündnisgrüne sind sich einig: Die gestern vorgestellten Kabinettsbeschlüsse zum Nachtragshaushalt 1997 sowie zum Entwurf des Bundeshaushalts 1998 sind arbeitsplatzvernichtend, unsolide und nicht verfassungsfest.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Karl Diller, sprach von einer „Strategie der verbrannten Erde“. Sein Kollege von den Bündnisgrünen, Oswald Metzger, sagte, Waigel gehe nach dem Motto vor: „Nach mir die Sintflut“. Beide Politiker werfen Waigel damit vor, Haushaltslasten in die Zukunft zu verschieben. Der Brückenschlag des Finanzministers führe 1999 nicht ans rettende Ufer, polemisierte Diller: „Seine Brücke endet freischwebend über dem finanzpolitischen Abgrund.“

So will der Bund in den nächsten Jahren seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Tilgung von Bahnschulden in Höhe von 2,8 Milliarden in 1998 und je 2,5 Milliarden Mark in den beiden Folgejahren nicht nachkommen. In zukünftigen Haushalten müssen dann höhere Zinszahlungen berücksichtigt werden. Diller dazu: „Bisher kannten wir Tilgungsaussetzungen nur von Entwicklungsländern.“ Metzger: „Das ist eine Boykotterklärung.“

Zudem werden die wachsenden Kosten für die Pensionen allein künftigen Haushalten aufgebürdet. Ursprünglich sollte der Bund den Erlös aus dem Verkauf seiner bundeseigenen Telekom-Aktien ab dem Jahr 2000 für die Pensionskassen verwenden. Doch nun will Finanzminister Theo Waigel Telekom-Anteile im Wert von 25 Milliarden Mark bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau parken. Das Geld steht somit für Zuschüsse zu den Pensionszahlungen nicht mehr zur Verfügung.

Schon seit einiger Zeit werden Autobahnprojekte in zweistelliger Milliardenhöhe privat vorfinanziert. Die Rückzahlungspflicht des Bundes setzt erst ab dem Jahr 2000 ein. Diller sagte: „Waigel und Kohl plündern das Vermögen des Bundes aus.“ Von 1982 bis Ende 1996 hätten die Erlöse aus der Privatisierung und der Veräußerung von Grundstücken rund 27 Milliarden Mark betragen. Jetzt würden innerhalb von zwei Jahren Vermögenswerte von rund 40 Milliarden Mark verhökert. Dies leiste weder einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, noch öffne es eine Perspektive für die Zukunft.

Metzger meinte, der Haushalt 1998 stehe unter einem ähnlich schlechten Stern wie der des laufenden Jahres. Die geplante Neuverschuldung von 57,8 Milliarden Mark liege nur hauchdünn unter den Investitionsausgaben von 58,2 Milliarden Mark. Bei einer zusätzlichen Verschuldung von lediglich mehr als 400 Millionen Mark würde die Neuverschuldung die Summe der Investitionen überschreiten. Damit verstoße der Haushalt erneut gegen Artikel 115 des Grundgesetzes. Für Karl Diller steht jetzt schon fest, daß Waigel auch seinen 98er Haushalt nachträglich aufstocken muß.

Zudem sei die angekündigte Absenkung des Solizuschlages um zwei Prozentpunkte nicht im Haushalt abgesichert. Es stehe außer Zweifel, daß dieses Konzept im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit finden werde. Dem Finanzminister fehlten daher sieben Milliarden Mark.

Das aber, so Oswald Metzger, habe Waigel schon einkalkuliert. Er wirft dem Finanzminister vor, die Nettoneuverschuldung für den 97er Haushalt bewußt zu hoch angesetzt zu haben. Er gehe dabei nach dem Motto vor: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's ganz ungeniert“. Statt 17 Milliarden Mark brauche Waigel „nur“ etwa acht Milliarden. Der Finanzminister nehme sich deshalb „einen größeren Schluck aus der Pulle“, als er brauche, um für das Wahljahr 1998 eine Reserve zu haben. Anders als in diesem Jahr müsse er sich dann nicht vom Parlament eine neue Kreditermächtigung genehmigen lassen.

Protest kommt auch vom Bund der Steuerzahler. Er hält es für möglich, daß das Bundesverfassungsgericht den Haushalt 1997 für verfassungswidrig erklärt. Die hohe Arbeitslosigkeit sei kein ausreichender Grund, um eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu rechtfertigen, sagte der Präsident des Verbandes, Karl Heinz Däke.