Die rote Socke ist tot. Die rote Socke lebt

CDU-Generalsekretär Peter Hintze weiß, daß er die rote Socke als Symbol für die Wahlen 1998 nicht mehr braucht. Einen harten Lagerwahlkampf gegen PDS, SPD und Grüne kann die Union auch so führen  ■ Aus Berlin Jens König

„Ich will euch mal eine Geschichte erzählen“, sagte Onkel Peter, der gerade aus der großen weiten Welt in das kleine Berlin gekommen war. Alle spitzten ihre Ohren. „Es war im Sommer 1994. Ich schaltete den Fernseher ein und sah, wie Reinhard Höppner aus Sachsen-Anhalt sein Wahlversprechen brach. Vor den Wahlen hatte er immer wieder erklärt, seine Partei, die SPD, denke unter gar keinen Umständen an eine Zusammenarbeit mit der PDS. Doch als ich ihn da sah, tat er genau das Gegenteil: Er bildete eine Koalition mit den Grünen und der PDS.

Ich also saß da allein im Konrad- Adenauer-Haus und schwor mir: Das soll das deutsche Volk wissen! Also erfand ich das Wahlplakat mit den roten Socken. Das Plakat war wie ein Floß: Es transportierte mein Thema. Es war nicht polemisch, sondern extrem sachbezogen. Und wenn sich von Lafontaine bis zum Neuen Deutschland alle aufgeregt haben, dann kann es so falsch nicht gewesen sein.

So, jetzt hören Sie mir mal weiter zu, jetzt kommt's. Neulich wurde Höppner gefragt, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Er antwortete: Es gab in der DDR Unrecht, aber in der BRD gab es auch Unrecht. So nach dem Motto: Holz schwimmt, der Mensch schwimmt, also ist der Mensch aus Holz. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Nun lasse ich mir von meinen politischen Freunden ja sagen, daß die Rote-Socken-Kampagne im Osten nicht so gut ankommt, schön, aber wenn die Kommunisten wieder an die Macht wollen, wenn SPD, Grüne und PDS dafür die Vergangenheit fälschen, dann erhebe ich laut dagegen Einspruch.“

Aha, dachten sich die Zuhörer, so ist das also, und nickten. Und was will uns Onkel Peter mit dieser Geschichte sagen?

Die roten Socken als Symbol werden im Wahlkampf der CDU 1998 wohl nicht mehr auftauchen, aber das brauchen sie auch nicht. Sie haben ihre Funktion längst erfüllt, und die Union kann mit einer anderen Form denselben Inhalt transportieren wie bei der letzten Bundestagswahl 1994: SPD und Grüne wollen mit Hilfe der PDS an die Macht, und das würde die Republik aus den Angeln heben, mindestens. Dem Land steht also erneut ein erbitterter Lagerwahlkampf bevor.

Den Christdemokraten im Osten und in Berlin paßt das gar nicht. Den Grund dafür konnte man am selben Tag in der FAZ nachlesen: Nach der aktuellen Allensbach-Umfrage würden nur noch 25,2 Prozent der Wähler in Ostdeutschland (bundesweit 33,4 Prozent) der CDU bei den Bundestagswahlen ihre Stimme geben. Die CDU läge damit nur noch knapp vor PDS (21,6 Prozent) und müßte im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren einen dramatischen Verlust von 13,3 Prozentpunkten hinnehmen. Wie also aus dem Tief herauskommen?

Die Berliner CDU hatte Peter Hintze, den Generalsekretär der Partei, am Mittwoch abend in die Hauptstadt eingeladen, um mit ihm genau diese Frage zu diskutieren. Einen Tag vorher hatte Berlins Wirtschaftssenator Elmar Pieroth wohl nicht zufällig ein Thesenpapier veröffentlicht, in dem der Christdemokrat zum wiederholten Male zu einer neuen Form der Auseinandersetzung mit der PDS aufrief. Pieroths Kernthese lautet: Man dürfe mit der PDS nicht koalieren, müsse sie als Partei bekämpfen, aber dürfe ihre Wähler nicht beschimpfen. Man müsse die Lebensleistung der Menschen im Osten anerkennen. „Der Umgang der CDU mit der PDS“, so der CDU-Politiker in seinem Papier, „ist auch ein Prüfstein für den Umgang mit den Ostdeutschen insgesamt.“

Pieroth wiederholte seine Forderungen auf der Veranstaltung, widersprach Hintze aber nur in einem Punkt. Mit den roten Socken wären eben nicht nur Leute wie Höppner gemeint gewesen, sondern hätten sich viele PDS-Wähler beschimpft gefühlt. „Aber in Hellersdorf sind nicht 51 Prozent der Wähler rote Socken“, sagte Pieroth.

Überhaupt waren die Christdemokraten an dem Abend überaus zahm. Die variierte Wiederholung der Rote-Socken-Kampagne wurde von ihnen kaum kritisiert. Von einem spezifischen Wahlkampf für den Osten, den einige Ostberliner CDU-Mitglieder in der Vergangenheit gefordert hatten, war gleich gar nicht mehr die Rede. Es scheint, als reicht ihnen die Zusicherung des Generalsekretärs, daß die roten Socken als Symbol nicht wieder auftauchen sollen. Und Hintzes Lippenbekenntnis, daß man das SED-Regime mit den Leistungen der Menschen in der DDR nicht gleichsetzen könne, tat dann wohl ein übriges. Man war zufrieden.

Die CDU-Wahlkampfstrategie hat Feldmarschall Hintze dann nur noch verkündet. Erstens wird im Osten und im Westen ein einheitlicher Wahlkampf geführt. „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Zweitens wird es einen klaren Kanzlerwahlkampf geben. Drittens will die CDU den Begriff der „Innovation“, der Erneuerung in allen Variationen, für sich besetzen. Punkt. Und Schluß. Keine Widerrede.