: Haitianer von Cops gefoltert
Die Kehrseite der Erfolgsstory von der New Yorker Polizei ■ Von Peter Tautfest
Washington (taz) – In den frühen Morgenstunden des vergangenen Samstags kam es in Flatbush, Brooklyn, zu einer jener Polizeieinsätze und Festnahmen, die den Ruf und die Arbeit der New Yorker Polizei weiter in Zweifel ziehen. Abner Louima, ein Einwanderer aus Haiti, wurde vor dem Nachtclub „Phantom“, in dem eine haitianische Musikgruppe spielte, festgenommen, als er einen Streit zwischen zwei Frauen schlichten wollte.
Zeugenaussagen stimmen darin überein, daß einer der herbeigerufenen Polizisten seinen Revolvergürtel ablegte, einem Kollegen reichte und sich mit Abner Louima zu prügeln begann, der lautstark gegen seine Festnahme protestierte. Schließlich wurde er überwältigt, in ein Polizeiauto geschleppt und zur Wache des 70. Reviers gefahren.
Was dort geschah, erfuhren Polizeiführung und Öffentlichkeit erst am Sonntag durch Verwandte des Festgenommenen. Abner Louima wurde in eine Toilette geschleppt, entkleidet und mit dem Stil eines Saughebers, mit dem man Toilettenabflüsse entstopft, gefoltert. Das stumpfe Ende des Werkzeugs wurde ihm in den After und dann in den Mund gestoßen. Dabei wurde eine Darmschlinge durchstoßen und die Blase gesprengt. Erst als Mitgefangene in der Zelle bemerkten, daß Louima stark blutete, und wiederholt die wachhabenden Beamten darauf ansprachen, wurde der Mißhandelte ins Krankenhaus gefahren, wo er nach der Operation mit Handschellen ans Bett gekettet wurde. Gegen Louima wollte die Polizei wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vorgehen.
Der Bürgermeister von New York, Rudolph W. Giuliani, erfuhr erst am Dienstag von dem Fall und ordnete eine gründliche Untersuchung sowie die Bestrafung der Verantwortlichen an. Zwei Beamte wurden inzwischen vom aktiven Dienst suspendiert.
Giulianis Reaktion ist einigermaßen ungewöhnlich für ihn. Der Bürgermeister, der sich diesen Herbst zur Wiederwahl stellt, nimmt regelmäßig die New Yorker Polizei gegen den Vorwurf der Brutalität in Schutz und macht das Prinzip „im Zweifel für die Polizei“ geltend. Die Senkung der Verbrechensrate in New York ist sein wichtigstes Wahlkampfthema.
Trotz der Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung hat die New Yorker Polizei keinen guten Ruf. In den letzten zweieinhalb Jahren kamen nach Auskunft von amnesty international (ai) in New York 50 Menschen durch polizeiliche Übergriffe ums Leben. Ein im Juni letzten Jahres vorgelegtes ai-Dossier dokumentiert allein 90 Fälle von Polizeibrutalität. Und am 6. April wurde in einem New Yorker Dichtercafé ein Video vorgestellt mit dem Untertitel: „Bringt die Polizei uns um?“, das eine Reihe von New Yorker Fällen dokumentiert.
Die New Yorker Polizeiführung hat erkannt, daß sie trotz sinkender Verbrechensrate im Begriff ist, eine wichtige Public-Relations- Schlacht zu verlieren. Sie hat aus der Not eine Tugend zu machen versucht und unter dem Kürzel CPR eine Kampagne gestartet. CPR steht im englischen Sprachgebrauch gemeinhin für Notmaßnahmen zur Wiederbelebung (Cardio Pulmonary Resuscitation). In dieser Kampagne jedoch stehen die drei Buchstaben, die an den Türen von Polizeiautos prangen, für Courtesy, Professionalism, Respect (Höflichkeit, Professionalismus, Respekt).
Reine Kosmetik, behauptet Hector Soto, Vorsitzender der Bürgerinitiative Citizens Commission on Policing und ehemaliger Vorsitzender jener unabhängigen zivilen Untersuchungsbehörde, die die New Yorker Polizei eigens einrichtete, um den Klagen gegen die Polizei nachzugehen. In den vier Jahren, seit es diese Kommission zur Untersuchung von Übergriffen der Polizei gibt, sind 20.000 Klagen eingegangen. Von den allein seit 1993 eingereichten 16.327 Beschwerden führten ganze 180 zu Disziplinarmaßnahmen. 75 Prozent der Klagen stammen von schwarzen oder hispanischen Amerikanern. In 72 Prozent der Fälle richten sie sich gegen weiße Beamte.
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