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Hamburger PDS „dumm, frech und instinktlos“

■ Parteivorstand denkt jedoch nicht an einen Ausschluß des Landesverbandes

Berlin (taz) – Die Berliner PDS- Zentrale hat schon wieder mal Ärger mit dem Westen. Die Hamburger PDS klebt seit dem Wochenende Wahlplakate mit der Aufschrift: „Soldaten benutzen bisweilen Schaufeln statt Gewehre und sind im militärischen Ernstfall staatlich ausgebildete Mörder“. Für den Parteivorstand sind die Hamburger, ohnehin die ideologischen Schmuddelkinder der PDS, damit erneut zu weit gegangen. „Dumm, frech und instinktlos“, nennt Parteisprecher Hanno Harnisch das Plakat.

Das Mitgefühl von PDS-Geschäftsführer Dietmar Bartsch und Wahlkampfleiter André Brie mit den Bundeswehrsoldaten, die bei der Hochwasserkatastrophe im Einsatz waren, geht noch weiter. Sie haben sich bei den Soldaten, die „selbstlos und engagiert an der Oder gearbeitet haben“, sogar entschuldigt. Die Hamburger PDS habe das Tucholsky-Zitat dazu mißbraucht, einen Teil der Bundeswehr zu „diffamieren“. Das, so Bartsch und Brie, sei arrogant und menschenverachtend.

Daß die Bundespartei angesichts eines einzigen Plakates so schwere Geschütze auffährt, hat seinen Grund. Der Hamburger Landesverband nimmt den PDS- Slogan „Gysis bunte Truppe“ schon seit Jahren viel zu genau. Wo die sozialistische Partei im Osten vor Ort mit Arbeitslosigkeit, zu hohen Mieten und ungeklärten Eigentumsfragen kämpft, beschäftigen sich die Genossen im Hamburg mit ausgefeilten Kapitalismusanalysen und fordern schon mal die Enteignung aller multinationalen Konzerne. Zudem ist der Landesverband mit seinen 250 Mitgliedern heillos zerstritten. Seit Jahren kämpfen zwei gleich unbedeutende Gruppen um die Macht. Zum Ärger der Zentrale gewinnen dabei immer die Bösen; die „Reformer“ um die Hamburger Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke können sich nicht durchsetzen.

Der Streit mit der Berliner Zentrale eskalierte im April. Die Hamburger beschlossen gegen den Willen des Parteivorstands, an den Wahlen zur Bürgerschaft am 21. September teilzunehmen. Gysi und Parteichef Bisky waren gegen eine Beteiligung, weil sie von einem Ergebnis um 0,3 Prozent einen negativen Effekt für die Gesamtpartei befürchteten. Den Hamburgern waren diese Bedenken egal. Daraufhin beschloß der Vorstand, den Landesverband bei den Wahlen weder finanziell noch personell zu unterstützen.

Ist die Zentrale jetzt mit ihrer Geduld am Ende und wirft die Hamburger aus der Partei, wie es gestern hieß? „Das ist kompletter Unsinn“, sagte Geschäftsführer Dietmar Bartsch der taz. Der Vorstand würde auf seiner Sitzung am Montag den Ausschluß weder beraten noch beschließen. Ausschließen könne einen Landesverband sowieso nur ein Parteitag. Bartsch bestätigte allerdings, daß sich der Vorstand mit dem umstrittenen Plakat beschäftigen werde.

Die Strategie der Partei steht allerdings schon fest: Nach den Wahlen in Hamburg wird Geschäftsführer Dietmar Bartsch, der starke Mann der PDS, Druck ausüben. Er hofft, daß die „Reformer“ im Hamburger Landesverband dann endgültig das Ruder übernehmen. Ohne Einmischung aus Berlin, versteht sich. Jens König

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