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Vier Schuldsprüche beantragt

■ Im Prozeß gegen zehn Polizisten forderte der Staatsanwalt gestern nur vier Urteile wegen Körperverletzung und Strafvereitelung. Zeuge der Anklage "problematisch"

Was sich an den vergangenen Prozeßtagen schon angekündigt hatte, trat gestern ein: Im Großverfahren gegen zehn Polizisten hat der Anklagevertreter überwiegend Freispruch gefordert. Einzig vier Angeklagte will Staatsanwalt Rüdiger Eggebrecht wegen Strafvereitelung und in einem Fall wegen Körperverletzung im Amt verurteilt sehen. Sein Strafantrag für diese Angeklagten lautete sechs und neun Monate auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 6.300 Mark. Das Urteil wird kommende Woche verkündet.

In dem Verfahren standen wie berichtet sechzehn Polizisten des 1. Zuges der Direktionshundertschaft 6 vor dem Kadi. Sechs waren vom Amtsgericht vor einigen Tagen freigesprochen worden. In seinem Plädoyer gab Staatsanwalt Eggebrecht zu, daß von der ursprünglich zwölf Vorfälle umfassenden Anklageschrift kaum etwas übriggeblieben sei. Der Prozeß sei dennoch gerechtfertigt gewesen, verwahrte sich Eggebrecht gegen etwaige Vorwürfe, mit „Kanonen auf Spatzen geschossen“ zu haben. Aufgrund der umfangreichen Aussage des Hauptbelastungszeugen Christian M. und einem Videofilm vom Silvestereinsatz 1993/94 habe es gegen die Angeklagten einen „hinreichenden Tatverdacht“ gegeben.

Der 23jährige Polizeimeister Christian M. hatte von zahlreichen Übergriffen seiner Kollegen bei Festnahmen berichtet. Staatsanwalt Eggebrecht sah gestern allerdings nur einen Fall als erwiesen an. Es handelt sich um Schläge und Mißhandlungen eines Beamten an einem stark blutenden Skinhead nach der Festnahme. Diese Szene hatte ein anderer Polizist mit seiner privaten Videokamera festgehalten. Eggebrecht hielt die übrigen Aussagen des Kronzeugen zwar „im großen und ganzen für glaubwürdig“, verwies aber darauf, daß M. in vielen Punkten „einen Rückzieher gemacht“ habe, indem er seine früheren Angaben „abschwächte“ oder sich „in erhebliche Widersprüche verwickelte“. Bei der „ganzen Problematik“ des Zeugen M. könne deswegen kein Urteil nur auf seine Aussage gestützt werden.

Mit „Problematik“ meinte der Staatsanwalt, daß M. in der Truppe ein „Außenseiter“ war, der zum Teil heftig schikaniert wurde: „Er war der Blitzableiter der Abteilung.“ Eggebrecht betonte aber immer wieder, daß M. „keine Falschaussage gemacht habe“, sondern daß es in der Truppe „tatsächlich zu sehr unschönen Szenen gekommen sei“. Als Beispiel verwies er darauf, daß der wegen mehrerer gewalttätiger Übergriffe angeklagte Polizeimeister Stephan R. einem Kollegen laut Zeugenaussagen zehn Mark dafür geboten hatte, daß dieser einem im Mannschaftswagen festgehaltenen Vietnamesen in den Schritt faßte.

Die Verteidiger beantragten Freispruch. Der Kronzeuge M. habe schon in der Polizeischule „als Spinner“ gegolten. „Er wollte in seiner Wohnung in der 13. Etage eines Hochhauses aus Angst schußsichere Scheiben einsetzen lassen“, sagte Anwalt Johann Schmidt-Drachmann. Der Verteidiger wagte es jedoch nicht, M. offen der Falschaussage zu bezichtigen. „Er hat in vielen Dingen Wahres bekundet, und dann noch etwas draufgesetzt.“ Plutonia Plarre

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