: Kein Linksruck in Italien
■ Die Regierungskrise ist beendet. Doch der Preis dafür ist hoch
Natürlich schreit Italiens Rechte nun Zeter und Mordio. Die Lösung der Regierungskrise durch eine Neuauflage der alten Mitte-links-Koalition sei nun ein „entschiedener Linksruck“, durchgesetzt hätten sich jetzt die Neokommunisten. Unsinn: Regierungschef Prodi hat seinen Haushalt ohne irgendeine spürbare Änderung durchgebracht. Lediglich die Einführung der 35-Stunden-Woche per Gesetz vom Jahr 2001 an hat er den Neokommunisten zugestanden, und das kostet zunächst einmal nichts. Und das ist durchaus kein Linksruck – eher schon ein Fehler mit langfristigen Folgen.
Das Versprechen der 35-Stunden-Woche ist eine Folge merkwürdiger Verkehrungen. Als sich im September der harte Widerstand der Neokommunisten, insbesondere in Sachen Renten, Gesundheitsreform und Arbeitslosigkeit, abzeichnete, hatte Linksdemokrat Massimo D'Alema, Chef der größten Regierungsfraktion, kurzerhand in direkten Verhandlungen mit den großen Dachgewerkschaften ein Abkommen geschlossen. Ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang, handelt es sich bei Gewerkschaften doch um private Vereinigungen, mit denen der Staat allenfalls als Tarifpartner für öffentliche Angestellte, nicht aber in Sachen Haushalt Abkommen schließen kann. Die Neokommunisten fühlten sich, zu Recht, verladen.
Die Rache war die Regierungskrise – und deren Lösung mit Hilfe eines Gesetzes, das im Grunde Unsinn ist: Die Aushandlung der Regelarbeitszeit ist auch in Italien Sache der Tarifpartner, und zwar sinnvollerweise Branche für Branche. Zu Recht schimpfen nicht nur die Unternehmensverbände, sondern auch die Gewerkschaften heftig auf das Vorhaben.
Prodi steckt damit in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite werden die Unternehmer nun alle Tarifverhandlungen erst mal blockieren, weil sie den Eingriff der Exekutive in Sachen Arbeitszeit beseitigt wissen wollen. Andererseits müssen dann die Gewerkschaften mobil machen, weil sie ihren Mitgliedern neue Tarifverträge vorzeigen wollen. Das aber bedeutet Streiks – und das schädigt den eben begonnenen zaghaften Aufschwung. Prodi kann sich da nur mit einem trösten: daß der Haushalt, wieder einmal, unter Dach und Fach ist. Was 1998 passiert – der Pakt mit den Neokommunisten gilt nur für ein Jahr –, wird man sehen. Alles wie gehabt. Tirare a campare nennt man das in Italien: durchwursteln. Werner Raith
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