: Nichts zu beißen
■ Bertelkirch erneut auf dem Prüfstand: Kartellhüter sehen Probleme beim Programm
Das Problem mit diesen Kartellwächtern, sagt Rolf Schmidt-Holz, Chef der Bertelsmanns TV-Tochter CLT-Ufa, liege darin, daß diese Juristen sich überhaupt keine richtigen Begriffe vom Mediengeschäft machten. Gerade eben zum Beispiel habe er Dieter Wolf, dem Präsidenten des Bundeskartellamts, noch einmal auseinandergesetzt, was eigentlich Pay-per-view bedeutet. Da habe der gleich ein ganz anderes Verständnis für seine Argumente gehabt.
Man muß sehr vorsichtig sein, wenn sich die Spitzen der Konzerne Bertelsmann und Kirch dieser Tage von Wettbewerbshütern verstanden fühlen. Erst in der vergangenen Woche war Schmidt- Holz mit seinem Kirch-Kollegen Dieter Hahn von einem Termin mit EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert aus Brüssel zurückgekehrt und hatte dort nichts als ein kleines „Kommunikationsproblem“ festgestellt. Doch dem Mann in Brüssel war am gleichen Tag gründlich der Kragen geplatzt.
Seit Montag, so Schmidt-Holz, liege das Vorhaben der Konzerne für eine gemeinsame Plattform im Digital-TV nun in Brüssel. Nun werde man ihnen „Tonnen von Informationen“ nach Brüssel karren, auf daß sie glauben, die geplante Technik für das Digitalfernsehen, die Bertelsmann und Kirch gemeinsam mit der Telekom beherrschen wollen, stünde „absolut diskriminierungsfrei“ offen.
Was das betrifft, hat auch Kartellamtspräsident Wolf nicht mehr die allergrößten Bedenken, nachdem die ARD entscheidende Veränderungen durchgesetzt hat: „Das kann ich mir wettbewerblich machbar vorstellen“, sagte Wolf am Mittwoch auf dem „Medienworkshop“ der Kieler Landesregierung. Der Mann muß die Verträge zwar nicht selbst endgültig prüfen, seine Behörde wird aber von den Brüsseler Kollegen um ihr Urteil gebeten werden. Doch die Verträge mit der Telekom über die gemeinsame Firma Beta Research, die die Digitaltechnik des Digitalstandards d-box kontrollieren soll, liegen in Brüssel eben gerade noch nicht vor, auch wenn Telekom- Manager Hans-Willi Hefekäuser in Kiel anderes zu suggerieren suchte. Der „Erwerbs- und Gesellschaftervertrag“ darüber, so Schmidt-Holz gestern zur taz, solle erst Mitte bis Ende nächster Woche unterschrieben werden – Haken gebe es aber keine mehr. Und „das größte Problem in Brüssel“, so hatte es Schmidt-Holz noch vergangene Woche in Paris eingeschätzt, sei eben „die d-box-Einigung“ – weil Kommissar van Miert der Telekom sehr mißtrauisch gegenüberstehe.
Nein, sagt der Kartellamtspräsident, „beim zweiten Komplex werde ich kritischer“. Der zweite Komplex ist die Einigung von Bertelsmann und Kirch über die gemeinsame Programmplattform „Premiere“, die das digitale Pay-TV erschließen soll. „Es liegt nahe, daß sich da Gruppeneffekte einstellen“, glaubt Wolf. Soll heißen, daß die beiden Konzerne mit ihren beherrschenden werbefinanzierten TV-Sendern beim Einkauf und der Verwertung von Rechten (Filme, Sport) eine abgestimmte Linie fahren. Wolf: „Wie soll man im Pay-TV akquirieren, wenn man nicht gleichzeitig im Auge hat, was man im Free-TV macht.“ Das sehe auch Herr van Miert sehr kritisch.
Über dem gleichen Problem brütet auch die Konzentrationsprüfer von der KEK, die die Vorhaben nach den Kartellbehörden absegnen müssen, so sie denn erst die Verträge hat – derzeit habe sie „nichts zu beißen“, so KEK-Mitglied Hans Dieter Lübbert. Er sagte in Kiel, es sei die Frage, ob die Kommission überhaupt Werkzeuge habe, derlei Kooperation in Teilmärkten zusammenzurechnen – im Rundfunkstaatsvertrag sehe er „keine Hinweise“ darauf.
Am Rande war zu erfahren, daß es wieder einmal die alte Frage der Zurechnung von Pro 7 sein könnte, an der sich die Sache entscheidet. Die Rechnung: Zählt der Sender von Kirch-Sohn Thomas zur Kirch-Gruppe, erreicht das Unternehmen etwa 28 Prozent der Zuschauer. Und bei einer solch „geringfügigen Unterschreitung“ könnte die KEK die Aktivitäten Kirchs auf anderen Märkten (Rechte und Free-TV) mit einrechnen – sonst nicht. Lutz Meier
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