: Markus Wolf in Beugehaft
■ Früherer DDR-Geheimdienstchef weigerte sich, Identität eines Agenten preiszugeben
Frankfurt/Main (AP/taz) – Der frühere DDR-Geheimdienstchef Markus Wolf ist am Donnerstag in Frankfurt/Main in Beugehaft genommen worden. Er wurde verhaftet, weil er in einem Prozeß vor dem Frankfurter Oberlandesgericht die Aussage verweigerte. Wolf war vor dem Staatsschutzsenat des Gerichts der Aufforderung nicht nachgekommen, einen Decknamen zu identifizieren. Wolf, der am Montag 75 Jahre alt wird, wurde in die Justizvollzugsanstalt Darmstadt gebracht, wo er bis zu sechs Monate inhaftiert bleiben kann, wenn er sein Schweigen nicht bricht. Nach Ansicht des Gerichts besitzt Wolf in dem Prozeß kein Recht auf Aussageverweigerung.
Wolf war im Spionageprozeß gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Gerhard Flämig zum zweiten Mal als Zeuge verhört worden. Der ehemalige DDR- Agentenchef beteuerte, daß Flämig weder ein Agent noch ein Informant der Staatssicherheit gewesen sei. Der Spionagevorwurf gegen Flämig treffe nicht zu. Flämig habe seiner Einschätzung nach überhaupt nicht gewußt, daß seine Gesprächspartner bei politischen Kontakten in der DDR vor allem hochrangige Stasi-Funktionäre, darunter Wolf selbst, waren. Markus Wolf warf der Bundesanwaltschaft vor, sie setze als oberste Anklagebehörde mit Spionageprozessen den Kalten Krieg fort. Er sei grundsätzlich nicht bereit, mit einer Zeugenaussage einen ehemaligen Stasi-Informanten zu „verraten“.
Als das Gericht jedoch verlangte, den richtigen Namen einer Person aus seinem Buch „Spionagechef im geheimen Krieg“ zu nennen, kam es zum Eklat. Die Ankläger wollten herausfinden, ob es sich bei dem im Buch nur J. genannten Bundestagsabgeordneten um Flämig handelt. Wolf habe dies verneint, auf Nachfragen des Gerichts die Identität des Agenten „Julius“ aber nicht preisgeben wollen.
Der Prozeß gegen den SPD-Politiker dauert bereits mehr als zwei Jahre. Er wird beschuldigt, der DDR-Staatssicherheit Informationen geliefert zu haben, was der Politiker aber leugnet.
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