: Nach Kosovo wird abgeschoben, basta!
■ Bei Innenministerkonferenz knickt Niedersachsen ein. Kein bundesweiter Abschiebestopp für Kosovo-Albaner. EU-Parlament fordert internationale Eingreiftruppe für die Krisenprovinz, Europakonferenz will Autonomiestatus
Bonn/Straßburg/London (dpa/AFP/taz) – Nach wochenlangem Hin und Her ist ein genereller Abschiebestopp für Kosovo- Albaner vom Tisch. Bund und die vier Länder Rheinland-Pfalz (SPD), Bayern (CSU), Niedersachsen (SPD) und Baden-Württemberg (CDU) einigten sich gestern darauf. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) begrüßte die Absprache der Vertreter der Innenministerkonferenz „als einzig vernünftige Möglichkeit“. Damit sei eine Vereinheitlichung der Rechtsanwendung hoffentlich wiederhergestellt. Das SPD-Land Niedersachsen hatte erst vor einigen Tagen Abschiebungen ausgesetzt. „Vor anstehenden Abschiebungen müssen selbstverständlich mögliche Abschiebungshindernisse im Einzelfall geprüft werden“, sagte der Staatssekretär im Bonner Innenministerium, Kurt Schelter, nach der Konferenz der Vertreter der Innenministerien in Mainz.
Nach dem neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Donnerstag gebe es keinen Anlaß dafür, einen generellen Abschiebestopp zu verhängen. Gesicherte Prognosen für die weitere Entwicklung der Spannungen im Kosovo in den nächsten Tagen seien nicht möglich. „Auch nach den jüngsten Ereignissen im Kosovo ist grundsätzlich nicht mit einer gezielten Verfolgung von rückkehrenden Kosovo-Albanern durch staatliche Organe zu rechnen“, heißt es in dem Bericht weiter.
Das Europaparlament hat gestern die Entsendung einer präventiven Eingreiftruppe in den Kosovo gefordert. UNO, Nato, Europäische Union und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) müßten dazu Vorbereitungen treffen, verlangten die Parlamentarier. Die serbische Regierung müsse der albanischen Mehrheit im Kosovo mehr politische und kulturelle Rechte gewähren, und zwar „ohne Änderung europäischer Grenzen“, hieß es in der Entschließung. Auch die Teilnehmer der Europakonferenz in London wollen Belgrad aufrufen, dem Kosovo einen besonderen Status innerhalb Jugoslawiens einzuräumen. Das geht aus dem Entwurf einer Kosovo-Erklärung hervor, die die Konferenz noch gestern verabschieden wollte.
In Priština, der Provinzhauptstadt des Kosovo, scheiterte gestern ein Treffen zwischen Albanern und Serben. Unter Leitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Ratko Marković wartete die serbische Delegation eine Stunde lang vergeblich auf die Vertreter der Kosovo-Albaner. Ein Berater des Führers der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, sagte, seine Seite sei vorher nicht ausreichend informiert worden.
Die serbische Führung lehnt einen internationalen Vermittler im Konflikt ab. Sie will die Krise in eigener Regie lösen und wies damit eine von der internationalen Kontaktgruppe vorgeschlagene Vermittlung des ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González zurück. Der jugoslawische Vizeregierungschef Zoran Lilić erklärte unterdessen, man sei bereit, über „einen höheren Grad an Autonomie“ für die Provinz Kosovo „gemäß dem Beispiel bestehender Lösungen sonstwo auf der Welt“ zu reden. Unabhängigkeit könne aber kein Thema sein.
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