: Sonnenspeicher für den Winter
Erste Erfahrungen mit solarer Nahwärmeversorgung. Trotz Kinderkrankheiten läuft ein neues Solarprojekt für Wohnungsbau ■ Aus Mainz Christoph Nachtigall
Mehr als ein Drittel der Energie wird in Deutschland für Heizung und Warmwasser verbraucht. Doch der Energiebedarf läßt sich – so zeigt jüngst ein Forschungsprojekt des Steinbeis-Transferzentrums in Stuttgart (STZ) – drastisch senken: Speichertechnik bringt im Winter zusätzliche Solarwärme ins Haus. Sie wird im Sommer, wenn die Sonne Energie im Überfluß liefert, gesammelt und bis zum Winter gespeichert.
Nach Berechnungen des STZ ist für Wohnsiedlungen das Heizen mit gespeicherter Solarwärme die kostengünstigere Alternative. Außerdem sei die Energieeinsparung unabhängiger vom Verhalten der Bewohner. Sie können wie gewohnt zum Lüften die Fenster öffnen, wobei sonst auf Dauer „jeder Energiespareffekt einer Lüftungsanlage zusammenbricht“, argumentiert Rainer Kübler vom STZ.
In Hamburg und Friedrichshafen wurde jetzt erstmals bewiesen, daß mit Sonnenenergie, die ein Langzeitspeicher in den Winter hinüberrettet, ganze Siedlungen versorgt werden können.
In beiden Städten liefern Großanlagen mit einem Langzeit-Wärmespeicher seit einem Jahr Wärme für Brauchwasser und Heizung in ein neues Wohngebiet. Das Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart hat die Projekte initiiert und begleitet sie wissenschaftlich. Die Ergebnisse des ersten Betriebsjahres, die das ITW nun vorlegte, zeigen allerdings, daß die Anlagen die berechnete Leistungsfähigkeit noch nicht voll erreicht haben. Daß in der Startphase eines großen Projekts Kinderkrankheiten auftreten, sei normal, urteilt Boris Mahler, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim ITW.
Ein Langzeit-Wärmespeicher ist im einfachsten Fall ein großer, ins Erdreich eingegrabener wassergefüllter Tank. Im Sommer wird das Wasser mit Solarkollektoren erhitzt. Sie bestehen aus schwarzen Blechen, an denen Rohre befestigt sind. Bei Sonnenschein erhitzen sich die Bleche und geben Wärme an das Wasser ab, das durch die Rohre gepumpt wird.
Die gespeicherte Solarwärme im Tank nutzen die Bewohner der angeschlossenen Siedlung im Winter zum Heizen ihrer Wohnungen. Das enorme Volumen des Speichers verhindert, daß er bis zum Winter abkühlt. Denn je größer er ist, desto kleiner ist seine Außenfläche im Verhältnis zur enthaltenen Wassermenge. Bei sehr großen Speichern, die mindestens 30.000 Tonnen Wasser fassen, also etwa soviel wie zehn große Schwimmbecken, kann man sogar völlig auf eine Dämmung der Außenwände verzichten. Der umgebende Boden wird zwar etwas erwärmt. Dies macht an der Erdoberfläche jedoch nur etwa 1 Grad aus, so daß Tiere und Pflanzen nicht beeinträchtigt werden.
in Friedrichshafen sollen im Endausbau 570 Wohnungen umweltfreundlich mit Wärme beliefert werden. Auf den Dächern der Siedlung verteilte Solarkollektoren mit einer Fläche von insgesamt 5.600 Quadratmetern erhitzen dann im Sommer 12.000 Tonnen Wasser auf über 70 Grad.
Die Wissenschaftler vom ITW sind sicher, daß die Bewohner die Hälfte der Energie, die sie für Heizung und Brauchwasser benötigen, solar gewinnen können. Weil die Gebäude zusätzlich eine sehr gute Wärmedämmung haben, brauchen sie nach Berechnungen des ITW nur ein Drittel der Energie wie vergleichbare Neubauten. Ökologisch heizen hat jedoch seinen Preis: Wegen der hohen Investitionskosten ist Wärme aus Langzeitspeichern noch doppelt so teuer wie Wärme aus Gas oder Öl.
Die anderen Möglichkeiten, drastisch Heizenergie zu sparen, sind aber noch weniger wirtschaftlich.
Weiterführende Literatur: Henrik Paulitz „Solare Netze: Neue Wege für eine klimafreundliche Wärmewirtschaft“, erschienen im Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1997, kostet 28 Mark
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