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Technikflaute und Wirtschaftswunder

Unis im Umbruch (Folge 4): Die Fachhochschulen sollten eigentlich wachsen, um das Schrumpfen der Universitäten wettzumachen. Doch Kürzungen, fehlender Ingenieursnachwuchs und wachsende Pensionszahlungen machen auch ihnen das Leben schwer  ■ Von Ralph Bollmann

Irgendwann kommt das Gespräch immer auf Hans-Jürgen Ewers. Die Chefs der Fachhochschulen (FH) sind auf den TU-Präsidenten nicht mehr gut zu sprechen, seit er seine Universität zur Elite-Anstalt erklärte und dem weniger ambitionierten Nachwuchs riet, doch mit den Fachhochschulen vorliebzunehmen.

„Betriebswirtschaft an den Universitäten studieren doch nur diejenigen, die bei uns abgewiesen werden“, sagt Rainer Knigge. Der Präsident der Karlshorster Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) geißelt diesen Zustand zwar als „absurd“. In Wahrheit aber freut er sich, das „elitäre“ Uni-Konzept seines Ökonomen- Kollegen durch die Kraft des Faktischen widerlegt zu haben. „Wer für uns zu schlecht ist, der muß halt zu Herrn Ewers“, bestätigt Jürgen Kunze, Rektor der Schöneberger Fachhochschule für Wirtschaft (FHW). An der FHW melden sich jedes Semester dreimal mehr Bewerber, als es Studienplätze gibt, der Numerus clausus (NC) liegt bei 2,1. An den Universitäten hingegen spielt die Note keine Rolle, die Interessenten müssen sich aber von der Dortmunder Zentralstelle (ZVS) einen Studienort zuweisen lassen.

Daran wird sich vorerst nichts ändern. Knapp werden die FH- Studienplätze bleiben. Zwar hat die Große Koalition den Abbau an den Universitäten stets mit dem Ziel eines FH-Ausbaus gerechtfertigt. Doch sobald es zur fiskalischen Nagelprobe kommt, muß auch Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) den Offenbarungseid leisten. Immerhin bleiben den Fachhochschulen, anders als den Universitäten, ihre Etats bis zum Jahr 2000 weitgehend erhalten. An einen Ausbau aber ist nicht zu denken. Im Gegenteil: Weil die Westberliner Fachhochschulen, damals neu gegründet, ihre Professoren in den frühen siebziger Jahren berufen hatten, leiden sie an einer „pensionsverdächtigen Altersstruktur“. Sie belastet den Etat nich nur mit Pensionszahlungen, klagt FHW-Rektor Kunze, sondern auch mit altersgemäßen Zulagen – denn der Landeszuschuß ist nach dem Durchschnitt der jeweiligen Besoldungsgruppen kalkuliert. Sind die Stelleninhaber älter als vorgesehen, dann reicht das Geld für ein paar Professoren weniger. Bis zum Jahr 2000 sieht Kunze die FHW-Finanzen jedoch gesichert. Weil er als letzter der Berliner Hochschulchefs den Vertrag mit dem Senat unterschrieb, konnte er noch einen Zuschlag heraushandeln.

Die Technische Fachhochschule (TFH) im Wedding hingegen hat ausgerechnet, daß sie im Jahr 2001 selbst bei rigidem Sparkurs 101,6 Millionen Mark für ihre laufenden Verpflichtungen ausgeben muß. Der Senat gönnt ihr aber nur noch 88,1 Millionen Mark. Schon in den letzten beiden Jahren hat die TFH ein Sechstel ihrer Professorenstellen gestrichen. Unter diesen Bedingungen sei die Zahl der Studienplätze „nicht zu halten“, bilanzieren die TFH-Planer. Der erzwungene Verzicht auf neues Personal gefährde zudem den Praxisbezug, den größten Vorzug der Fachhochschulen.

Auch an der FHTW hat der Sparkurs die ambitionierten Aufbaupläne zurechtgestutzt: Statt der geplanten 8.800 Studienplätze soll es nur noch 7.300 geben, das entspricht etwa der jetzigen Studentenzahl. Einen weiteren Abbau auf nur noch 6.000 Plätze konnte Rektor Knigge abwenden – freilich nur auf dem Papier: Die Differenz, klagt er, „ist in keiner Weise finanziert“.

Immerhin sieht sich die FHTW nicht durch Pensionszahlungen in eine Schieflage gebracht, schließlich hat sie einen großen Teil der Professoren nach der Wende neu berufen. Bei den Ingenieuren stammt noch jede zweite Lehrkraft von den früheren Ingenieurhochschulen Lichtenberg und Blankenburg. In den beiden Wirtschaftsfachbereichen hingegen lehrte nur jeder zehnte Kollege schon zu DDR-Zeiten an der Hochschule für Ökonomie, deren Gebäudekomplex aus Gründerzeit, Stalin- Barock und Platte der FHTW als Hauptgebäude dient.

Daß die Hochschule ihre Fachbereiche für Elektrotechnik und Maschinenbau inzwischen auf Weststandard gebracht hat, nützt wenig. So dürftig wie die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist die Zahl der Studierenden. Doch die FHTW, die auch einen Studiengang Verpackungstechnik anbietet, hat gelernt, ihre Angebote publikumswirksam zu verpacken. Aus der Elektro- zauberte sie die Nachrichtentechnik, aus dem Maschinenbau die Verkehrstechnik.

„Der Wettbewerb um die Studienanfänger ist voll entbrannt“, hat auch Klaus Oberzig vom TFH-Präsidium erkannt. Mit „Schülerinformationstagen“ versucht die Hochschule den Nachwuchs von ihren Vorzügen zu überzeugen. Seit immer mehr Industriebetriebe abwandern, brechen manche Studiengänge ganz weg. Ihre Chemie- Ausbildung, für die sich im vorigen Wintersemester nur 14 Bewerber fanden, hat die Hochschule flugs in Pharma- und Chemietechnik umbenannt.

Mit Nachwuchssorgen braucht sich die FHW hingegen nicht zu plagen. An der Hochschule mitten im schönen Schöneberg ist der Andrang ungebrochen. Schließlich sind die Berufsaussichten für Diplomkaufleute (FH) noch immer „weniger schlecht als in anderen Berufen“. Freilich, warnt Rektor Kunze, müßten notfalls selbst gute Absolventen „nach Greifswald“ gehen. Daß die Hochschule, in Unternehmerkreisen einst als linke Kaderschmiede verschrien, heute über eine „hohe Akzeptanz in der Praxis“ verfüge, sei aber „nicht mit einer Ausdünnung von kritischen Positionen erkauft“.

Nicht allein deshalb ist die FHW für Kunze „mehr als nur ein Fachbereich Wirtschaft“. So vermittelten etwa Soziologen oder Juristen den angehenden Ökonomen ein „fächerübergreifendes Verständnis“ ihres Fachs. Vorbild ist neben der Wirtschaftshochschule Sankt Gallen die London School of Economics. Nicht umsonst nennt sich die FHW im Ausland „Berlin School of Economics“.

Der großspurige Name ist aus der Not geboren: Den Begriff Fachhochschule kennt außerhalb Deutschlands niemand, die Umschreibung „University of Applied Sciences“ erscheint arg umständlich. Die tiefe Kluft, die Universitäten und Fachhochschulen hierzulande noch trennt, hält Kunze ohnehin für anachronistisch. Für ihn gibt es einfach nur „gute und schlechte Hochschulen“. Man dürfe „die Leistungsansprüche an die FH nicht künstlich mindern“, vor allem nicht durch überholtes Statusdenken einzelner Berufsgruppen. „Erst wenn Mediziner und Juristen an der FH ausgebildet werden“, glaubt der FHW-Rektor, „ist die Diskussion auf dem notwendigen Niveau.“

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