■ Querspalte: Jesus Christus für Nichtraucher
Mein Mitbewohner Ralf ist grundsätzlich gut gelaunt. Noch besser drauf als sonst ist er seit Sonntag. Um Punkt 17 Uhr hat er aufgehört zu rauchen und seither keine Zigarette mehr angerührt. Allein das kann für einen ehemals starken Raucher noch lange kein Gute-Laune-Grund sein. Man weiß ja, wie die sind, wenn sie mal keine Kippe zur Hand haben: total hibbelig, gereizt, schlecht gelaunt eben. Nicht so Mitbewohner Ralf.
Strahlend empfängt er mich an der Haustür und verkündet: „Ich habe immer noch nicht geraucht!“ Stundenlang sitzen wir am Küchentisch, trinken Kaffee, reden über Nikotinsucht – und über Allen Carr. Allen Carr, davon bin ich inzwischen überzeugt, ist für Ralf und alle anderen werdenden Nichtraucher so etwas wie Jesus von Nazareth für die gesamte Christenheit – Erleuchter und Erlöser in einem.
Sein Buch „Endlich Nichtraucher!“ ist, wie Ralf sagt, in aller Munde. Die Schwester unserer Nachbarin Agnes sei damit vom Rauchen losgekommen, genauso ihr Schwager, und der sei absoluter Kettenraucher gewesen. Überall würden Kurse über „Allen Carr's Easyway“ angeboten, wer danach wieder eine Kippe zur Hand nehme, erhalte sein Geld zurück. Natürlich hat mein Mitbewohner das Buch gelesen, rauchenderweise. Bei jeder Seite habe ihm die Zigarette weniger geschmeckt, sagt er und liest mir zum besseren Verständnis aus dem Kapitel „Gehirnwäsche und das Unterbewußte“ vor.
Die Tabakindustrie gebe jährlich mehrere hundert Millionen allein für die Werbung aus, heißt es da. „Gegen diese Gehirnwäsche müssen Sie Widerstand entwickeln“, empfiehlt Allen Carr. Das Europaparlament hat ihn beim Wort genommen und macht bis 2006 der Tabakwerbung den Garaus. Ginge es nach Allen Carr, gäbe es bis dahin ohnehin nur noch Nichtraucher. Auch für die hat er einen Tip parat: „Lassen Sie sich etwas einfallen, um sich das Leben mit kleinen Freuden und Genüssen zu versüßen.“ Mitbewohner Ralf werde ich heute abend eine Tafel Schokolade mitbringen. Heike Spannagel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen