: Schwupps hat man alle Kommunikation am Wickel
■ Auch Sie, Leser, brauchen Medienkompetenz! Was das aber ist, ist nicht leicht rauszukriegen
Medienkompetenz – die Griffigkeit des Modeworts ist vorzüglich. Da klingelt die ganze Moderne mit. Medienkompetenz ist im Computerzeitalter nicht nur rentabel, sondern unabdingbar, hören wir. Wer im Pizzaservice jobbt, wird bald nicht mehr gefragt, ob er einen Führerschein hat, sondern ob er medienkompetent ist. Das zu beurteilen ist gegenwärtig knifflig. Es gibt da die technische Seite, dann die inhaltliche, erklärt man uns. Und kompetent sollen Produzenten wie Nutzer sein.
Nun gibt es auch noch recht viele Medien. Wer soll sich mit all dem Zeug auskennen? Schwuppsdiwupps hat man nämlich alle denkbare Kommunikation am Wickel, weil die ja irgendwie immer von Medien abhängt. Gut, daß Tagungen Untertitel haben. Letzte Woche in Kiel hieß es zum Beispiel: „Heute Herausforderung – morgen Voraussetzung.“
Das trifft's mit der Pieke. Weil Medienkompetenz eine Schlüsselqualifikation ist. Deutsch, Mathe, Geschi, Bio, Erde, jedes Fach kann, nein, muß davon profitieren. Allein ethisch: Jeder Grundkursler fummelt sich spielend ins Pentagon, aber zwei Drittel aller Jugendlichen sehen keine Nachrichten. Das belegt jene Studie, die Heide Simonis anführt. Das, findet nicht nur die Ministerpräsidentin des zwischen Meeren eingekeilten Landes Schleswig-Holstein, muß besser werden. Finden alle. Neues muß entstehen! Mehr Computer, mehr Lehrerfortbildung, mehr Internet-Anschlüsse.
Nicht minder sinnvoll: mehr Sponsoren. Doch Hardware-Luxus allein bringt's nicht: Yvonne (20) nebst Freundin Johanna (18) vom Büsumer Nordsee-Gymnasium suchen sich die Finger wund im Internet-Wust, von Link zu Link, bis sie gefrustet in die Bibliothek gehen. An dieser Stelle könnte sich der Tagung mal ein konkretes Wirkungsfeld eröffnen.
In Kiel ist man jedoch bescheidener. Tagung zur Medienkompetenz ist, was fast jeder sofort bestreiten würde, Selbstzweck genug. Nur der Moderator stichelt noch beim Direktor der Landesmedienanstalt ULR, die hier mitveranstaltet, ob das Ganze nicht eher Ersatzbefriedigung sei, nach der Pleite mit der Medienkonzentration. Laut wird mehr Medienkompetenz gefordert (und leise mehr Tagungen erhofft), aber nicht so laut, als daß die Redner vernehmbar wären. So hoch ist auch die Medienkompetenz der Veranstalter dann doch nicht, daß nicht jedes „P“ im Mikro explodierte und die Akkustik in die Knie zwänge.
In Sachen Medienkompetenz ist man sich aus gutem Grunde uneinig. Auf der einen Seite sitzen Schutzengel mit Galilei-Syndrom, die den Nachwuchs schützen wollen, weil sich sonst jeder achtjährige Knirps im Internet in die Dutroux-Homepage einklinkt. Auf der anderen Seite blasen kleine Hevelmänner in die Segel, schreien nach mehr, weil ihnen bei Wörtern wie Multimedia, Synergie und Kommunikation Arkadien vor Augen flimmert. Beide Seiten verstehen sich gemeinhin ganz gut. Sie treffen sich oft zum Kränzchen, und bezahlt wird auch nicht schlecht. Meinungen zirkulieren mit Hochdampf im Leerlauf, denn jeder findet, daß man sich da nichts vormachen dürfe, weil der Zug der Informationsgesellschaft nicht etwa gerade abdampfe, sondern geradewegs usw.
Nicht nur, daß der Jammer über den arbeitsplatzfressenden Computer hier seinen schlagkräftigen Gegenbeweis erführe. Auch das Weltverstehen ist gesichert. Alles und jeder schaukelt da auf seiner Metaebene und scheint sich dabei ganz wohl zu fühlen.
Und schon steht Professor Spanhel aus Erlangen am Pult und fordert ganz entschieden und mit aller Deutlichkeit „neue Begriffe, Organisationen, Strukturen, Koordinationen und Theorien“, erklärt aber nicht, welche alten Begriffe er loswerden will. In einigen jahren hoffentlich den der „Medienkompetenz“. Gerald Koll
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen